
Originaltitel: Zwei Herzen und ein Schlag. Operette 1932; 86 min.; Regie: Wilhelm Thiele; Darsteller: Lilian Harvey, Wolf Albach-Retty, Rosa Valetti, Otto Wallburg, Kurt Lilien, Tibor Halmay, Hermann Blaß; Ufa-Klangfilm.
Kleine Chansonette und Oberkellner, verheiratet aber seit zwei Jahren inoffiziell getrennt, treffen sich wieder. Haben die besten Vorsätze, streiten sich aber immer fort. Sie steht vor ihrem Debüt als Kabarettstar, welches ein Herzog managt. Durchfall, endlich Versöhnung.
Zusammenfassung
Viktor Müller ist die Seele des eleganten internationalen Rivierahotels, Ratgeber für Unentschlossene, Geldgeber für momentan Verarmte, der vollendete Typ des gewandten Oberkellners.
Motto:
Er versteht sich auf die Leute,
Das ist seine stärkste Seite. –
Ich bin immer auf der Wacht,
Denn es kommt bei Tag und Nacht
Nur in Betracht
Wie man’s macht.
So verdient man sein Geld
In der Welt,
Wenn man immer nur tut,
Was jedem gefällt.
Aber leicht, aber leicht Ist es nicht,
Weil sich jeder von uns
Was andres verspricht.
Leicht ist es wirklich nicht, Viktor hat einen geheimen Kummer, von dem nur sein Onkel Moritz, der seit 50 Jahren sitzengebliebene Hotelpage, etwas weiß, denn er befindet sich in ähnlicher Lage, beide sind – verheiratet.
Und schon naht das Verhängnis, denn Jenny Müller, als Künstlerin genannt Ria Bella, sagt sich telegraphisch an, und Moritz weiß, daß dann Adele, seine Verflossene, auch mitkommt. Viktors einjährige Ehe mit der blonden Jenny war mehr stürmisch als harmonisch gewesen, und nun will sie hier ins Hotel „Beau Séjour“ kommen und – davon ist Viktor überzeugt – neues Unheil anrichten. Denn Jenny ist temperamentvoll, exzentrisch, kurz: total verrückt, aber süß, so sagt auch ihr Verehrer, der dicke Herzog von Auribeau, als er Jennys Reiseplan erfährt. Grade jetzt will sie verreisen, wo sie in 8 Tagen ihre Premiere im Kabarett „Paradiesvogel“ hat und das große Couplet kreieren soll mit dem sensationellen
Refrain:
Ich bin die flotte Liese,
„Ah bah“ ist meine Devise.
Jenny Müller ist nämlich ehrgeizig, aus der kleinen Chansonette aus dem Kabarett „Zum gerupften Stieglitz soll unter dem Protektorat des Herzogs die große Ria Bella werden. Die Zeit ist zu Ende, wo Jenny noch sang:
Das macht Baby alles nur aus Liebe,
Sonst sagt sie Dankeschön!
Und fühlt Baby nur ein bißchen Liebe,
Dann sagt sie Bitteschön!
Zärtlich lachen, ’ne Dummheit
Und andre Sachen, (machen,)
Das fällt ihr garnicht ein.
Das macht Baby alles nur aus Liebe, Glauben Sie mir, sowas muß angeboren sein.
Und so kommt denn Jenny im Hotel an kapriziös, übermütig, reizend wie je, und Viktor ist – ob er will oder nicht – verliebt. Jennys künstlerische Pläne nimmt er nicht ganz ernst, denn allzuhoch schätzt er ihre Begabung nicht ein. Darüber gerät Jenny in Zorn, und schnell ist wieder der schönste Zank im Gange, ganz wie im ersten Ehejahr. Also gut, dann läßt sich Jenny eben scheiden! Aber Viktor sagt nein, denn als der verliebte dicke Herzog auch noch ankommt, ist seine Eifersucht entfacht. Er wird um Jenny kämpfen. Das Spiel beginnt. Jenny will auf den Rat eines Anwalts Viktor provozieren; denn wenn er ihr eine Ohrfeige haut, wird sie glatt geschieden, aber Viktor kommt dahinter und erträgt Jennys Unarten sanft wie ein Lamm. Sie blamiert ihn vor den Gästen, reizt seine Eifersucht, aber er ist der stärkere, und Jenny bleibt ohne Ohrfeige. Ärgerlich fährt sie schließlich mit dem Herzog nach Paris zurück, um den großen amerikanischen Manager zu treffen, der Ria Bella berühmt machen soll. Doch Viktor läßt nicht locker. Er wird Haushofmeister des Herzogs, der so verliebt in Jenny ist, daß er sie heiraten will. Nach der Premiere soll die Verlobung verkündigt werden, und um einen großen Erfolg zu garantieren, lädt der Herzog seine Freunde aus dem Jockeyklub zur Premiere ein. Jenny weiß noch nichts von den Heiratsplänen ihres dicken Gönners, aber Viktor glaubt, sie sei einverstanden und reist wütend ab. – Jenny, die im Grunde nur Viktor liebt, ist trostlos, und Moritz verspricht, Viktor zurückzuholen.
Das elegante Theater ist überfüllt, aber – mit was für einem Premierenpublikum.
Entsetzlich! Moritz hat das stellenlose Hotelpersonal aufgeboten, und Köche, Stubenmädchen, Reinemachefrauen und Hausknechte füllen Rang und Parkett. Verlegen starren die Herren vom Jockeyklub auf das freudig erregte, radaulustige Publikum. Der Herzog ist ratlos. Aber die Vorstellung muß beginnen. Zitternd vor Angst betritt Ria Bella die Bühne, johlend begrüßt vom Publikum. Mit schüchterner, tränenerstickter Stimme beginnt sie ihr Couplet. Sie kann sich nicht frei bewegen. Was ist denn nur los? Um Gottes willen, der Schleppenzipfel der flotten Liese hat sich eingeklemmt – sie zerrt und zerrt.
Als Aschenbrödel einst gepufft wimmert ihr Lied. Die verdammte Schleppe! arme Vögelchen:
Und dann verführt von einem Schuft
Mit eingeklemmtem Schwänzchen piept das
Ich bin die flotte Liese,
Das Publikum johlt, pfeift, brüllt, lacht.
„Ah bah“ ist meine Devise – Theaterskandal! Der Herzog schwitzt vor Aufregung. Da im letzten Moment kommt Viktor, springt auf die Bühne. Ein Ruck, – die Schleppe reifet ab. Nun ist der Paradiesvogel wieder der gerupfte Stieglitz von einst und findet seine alte Kraft wieder. Leicht beschwingt, übermütig und siegesgewiß ertönt ihr
Couplet:
Warst mein Kamerad und sei nicht bös,
Wenn ich mit einem andern wandern muß.
Komm, mein Kamerad, gib mir die Hand
Und nimm den ersten und den letzten Kufe.
Zwei Herzen haben sich wieder gefunden – in einem Schlage!
Kritik (-ger., Film Kurier #044, 02/20/1932):
Bei diesem absoluten Spiel frage man nicht nach dem Sinn.
Musikanten, die so im Wohlgefühl schweben, wollen keine Metaphysik verbergen – sie haben das Recht auf Zwecklosigkeit, ihre Melodien tanzen – und die Filmleute hier: sie zwingen die reine Tanz-Form ihres Werkes zu vollendeter Wirkung.
Sie haben das gleiche Recht wie die Schöpfer einer rein-musikalischen Tanzsuite, „sinnlos“ zu sein.
Bewegung ist ihnen alles, ein hüpfender, springender, tänzelnder, sich verneigender Reigen. Ensembles, Duette und Solis: gewalzt, gesteppt, getillert, im Marschtritt, im Slowfox. Ein Film mit 1000 Bewegungsvarianten. Ein getanztes Märchen: das Märchen ist nicht neu, aber der Tanz meisterhaft; Tanz an sich, idealer Film, wenn Film Bewegungs-Komposition. Bild-Sinfonie, Pantomime für Auge und Ohr.
So flitzt die Inszenierung einer Frau vorbei, die in jedem Bikinisschnitt ein neuer Schaureiz, vom Näschen bis zum Windstoß-Blond wandelbar, umgeschmolzen in jeder Minute zu neuem Ausdruck: unser lustiges Starwunder, die Lilian Harvey.
So tanzt ein Regisseur vorüber, der ein Mathematiker der Schnitt und Einstellungskunst, daneben aber Herz hat und Musiksinn, also recht viel auf einmal: Wilhelm Thiele.
★
Er übertrifft (in der Stil-Konsequenz) seine „Tankstelle“.
Obwohl das Buch von Franz Schulz – nach einer Komödie von Birabeau und Dolley bescheidener im Themen-Umriß, knapper, pointenloser: im Dialog. Keine neue Figur wird ins Blickfeld (noch am originellsten: der fünfzigjährige Page) geschoben, der reiche Graf, die komische Commère, die lustige Diener-Episode – liebe Schwankbekannte um das heimliche Ehepaar, er, Ober im Rivierahotel, sie, kleine Sängerin aus Paris mit Karrierehoffnungen. Leichtester Konflikt: eine Scheidung soll durch die Ohrfeige des Gatten durchgedrückt werden. Wie sich der Herr Ober hütet, seine Frau zu schlagen, wie ihr Cabarett-Debüt verunglückt, – dies der „Inhalt“ in dem reizenden Arrangement, das mit einer nicht einen Augenblick retardierenden Beweglichkeit eine Welle guter Laune nach der andern sendet.
Es ist eben auch beim Film keineswegs „alles gehupft wie gesprungen.“ Man muß hupfen können. Franz Schulz – Wilhelm Thiele – Jean Gilbert, Autor, Regisseur, Musiker – drei Herzen und ein Taktschlag. Vollkommene Einhelligkeit im Zusammenmusizieren. Eine fröhlige Fuge ohne Naht und Niete.
★
Der Film ist in seinem Genre eine Spitze und eine Ausnahme. – Es gelingt nicht alle Ateliertage, so offenbar im ersten Wurf, so ohne Uebertüftelung, auch ohne sonderlichen szenischen Bombast Lustigkeit um des Lustigseins willen aus Schauspielerfreude. Atelierlicht und Musikantrieb zusammenzubringen. (Auch Thiele gelangs schon daneben, von der Unsumme der Tanzoperettenschlenkerer abgesehen, die ihn und Rene Clair imitierten.) Hier tanzt kein Kongreß in Charell-Ausmaßen. hier tanzt – vor Benno v. Arents und Schlichtings bewußt zurückhaltenden Hintergründen – jeder Pulsschlag, jede Tanzgeste. Kleine Ursachen, große Wirkungen.
★
Keep Smiling des Tanzspiels. Die Welt lächelt, der Mensch sei zum Tanzen geboren, die Hotelmädels, wie die zwofelhaften Gents aus Nassauisch-Ungarn, die Dienstmänner, die Garderobenfrauen, die Männer vom Küchenherd, die Herren vom Jockeyklub – ein Walzer, ein Marschrhythmus.
Wilhelm Thiele schuf eine Finale der Ausgelassenheit, das an die unsterbliche Fledermaus-Laune erinnert. Seckt oder Nachgeschmack. Fröhlichkeit ohne Katergrund. (Man muß es noch etwas genauer betrachten:)
Man erlebt von Minute zu Minute neue Allegro-Einsätze, die die kleine Geschichte vorwärts treiben. Dabei sind Bild und Musik eins. Musikalische Komödie, von Papa Gilbert zwischen Altem und Neuerem geschickt, ausbalanciert und illustriert (aus der Feder gleiten ihm zwei, drei Schlager wie in seiner besten Produktionszeit, keine Spur vom „alten Herrn“). Dabei sorgt Thiele, daß man nicht zu lange auf den berüchtigten Treppen tanzt. Drehtüren passen da schon eher zu wirbeligen Girls. Diese Szenenfolge mit Rosa Valetti, Wallburg (der jetzt ganz entblubbert ist und so deutlich spricht wie ein Berlitz-Scool-Lehrer, auf Ehre!), Lilien Halmay, Rott, Blaß, Cehmer, Deppe wäre ein gepflegtes Grand-Hotel-Spiel, wenn man nicht mit spürbaren Steigerungen, in den paradiesischen Schlußakt einfahren würde – der an sich motivisch nicht neu: (Anny Ondra und viele andere Spielten ähnlicher) – in seinem Heiterkeitsausbruch aber unwiderstehlich. Ein Meister-Akt.
Eingeleitet durch den Triumph-Marsch der Cabarett-Besucher.
Dann das Cabarett vollbesetzt vom Angestellten- und Dienstboten-Ensemble, das sich seinen Jux macht Einen reizend musikalischen Jux. Ein Sing-Spiel-Vergnügen. Da wäre es wieder einmal das Film-Sing-Spiel. Kein Theoretiker kann es zu Grabe bringen. Es lebt und singt sich aus: breite Ensemble-Szenen mit den „Fanget-an“-Parolen, den quietschfidelen Logenbesucherinnen, die ihr Entzücken singen, im Theater zu sein. Köstlich, wie der Herr Kapellmeister im Chorus begrüßt wird. Dann der Star-Durchfall und schließlich das gute Ende. Mächtiger Schluß-Auftrieb. Der beweglichste Kamera-Könner muß natürlich mit dabei sein, fahrtlustig, tempo-belebend, Porträt-Entdecker bei der Harvey und den 16 Neubabelsbergfeen: Carl Hoffmann.
Dieses Finale – der große, seltene Wurf. Der sichtbar gewordene Rhythmus, der weiße Bewegungs-Rausch. Ein schwarz-weißes Räuscherl.
★
Die Primaballerina des Films aber, Lilian Harvey: in allen Versionen aller Herzen und Zungen rufe man, sie lebe hoch.
Kind, sie kann tanzen, sie kann „aussehn“, Kleider tragen (und welche Mode-Erfindungen) – sie hat kaum noch Gefahren-Zonen in ihrem Spiel, auch wenn sie groteskelt oder hampelpampelt, das Publikum hat nur den einen Blick der Sympathie für sie, man vertraut ihrer Frische, die nie in Routine läuft, ihre Jugend grüßt von der Leinwand, ihre artistisch-exakte Tanztechnik brillant wie am ersten Eichberg-Tage… nur bewußter alles, sicherer, lockerer. Zudem diesmal nicht zu verpackt und verpuppt. Ein tapferes Tanzkerlchen. Kleiner Deiwel und guter Kamerad. (Mit dieser Rolle erobert sie jedes Publikum.)
Ihr Partner: Wolfgang Albach-Retty. Sehr sympathischer, junger Herr aus Wien. Rechter Flügelmann von Paulsen, gleich neben Fuetterer. Für ein Debüt erstaunlich sicher. Morgen muß er gewiß schon Autogramme geben. (– und seinem Talent gebe man weiter so gute Lehrmeister und Führer wie Thiele-Stapenhorst.)
Stapenhorst – Stichwort für den erfolgreichen Produktionsleiter unter dessem Szepter der leichteste Film entstand, der über dieser alten Erde mit sanftem Schrittetasten und den schönsten Beinen schwebt.