Originaltitel: Ich geh’ aus und Du bleibst da. Komödie 1931; 88 min.; Regie: Hans Behrendt; Darsteller: Camilla Horn, Berthe Ostyn, Oskar Sima, Hans Brausewetter, Margo Lion, Hermine Sterler, Fritz Ley, Theodor Loos, Max Gülstorff, Peter Wolff; Cicero-Tobis-Klangfilm.
Ein Mannequin, seit einem Jahr zu einem Autofahrlehrer in verlobungsähnlichem Verhältnis, läßt sich von einem Baron ein nettes Sümmchen für die Anbahnung einer Versöhnung mit dessen reichem Schwager versprechen. Verliebt sich dann in besagten Schwager, gibt ihm aber doch einen Korb, um endlich zum Fahrlehrer zurückzukehren. Vorher noch die Jagd nach einem von dem Mädel widerrechtlich ausgeführten Pelz, der auf mysteriöse Art verschwunden.
Zusammenfassung
Georg ist furchtbar aufgeregt. Seine Freundin Gaby hat plötzlich mondaine Anwandlungen. Sie hat sich abends von einem Herrn Konstantin von Haller, einem unheimlich reichen Mann, einladen lassen! – Georg kommt zu Maximilian von Wachmeister ins Hotel. Fragt ihn, ob er den Herrn von Haller kenne. Maximilian stellt fest, daß dieser Herr sein Schwager sei, daß er aber mit ihm seit vielen Jahren verkracht ist. Aber als Maximilian hört, daß Georgs Freundin Gaby mit Konstantin ausgegangen ist, interessiert ihn die Sache heftig. Er bittet Georg, ihm Gaby für den nächsten Abend zu „leihen“. Georg protestiert.
Gaby nimmt aber trotzdem Maximilians Einladung an und geht am nächsten Abend mit ihm bummeln. Dabei erfahrt sie den Plan Maximiliens.
Gaby soll Konstanstin, der arg in sie verliebt ist, mit dem fünfzehnjährigen Kadi, dem Sohn Maximilians und dessen Frau Maria zusammenbringen. Auf diese Art sollen die Familien wieder versöhnt werden. Dadurch würden Maximilian und seine Frau, die ihm zur Zeit gerade wieder einmal durchgegangen ist, wieder zu Geld kommen. Denn soviel Geld Konstantin hat, soviel haben die Wachmeisters verpulvert.
Gaby soll für die Vermittlung 20000 Mark bekommen. Gaby akzeptiert, denn mit diesen 20000 Mark will sie der Armeleutewirtschaft bei ihr und Georg ein Ende machen. Aber sie sagt zu Hause nichts davon, denn Georg hat für solche moderne Auffassung vom Geldverdienen nicht das geringste Verständnis.
Gaby geht kühn vor. Sie tritt groß auf. Nimmt sich heimlich die elegantesten Abendkleider aus dem Salon Derlett, in dem sie als Mannequin angestellt ist mit und spielt die Dame von Welt. Konstantin ist in sie verliebt, Maximilian ist in sie verliebt und sein Sohn Kadi ist in sie verliebt. An eins hat Gaby allerdings nicht gedacht: nämlich, daß sie sich in Konstantin verlieben könne. Und das tut sie! Der zweiundvierzigjährige Konstantin fasziniert sie. Sie ist Gast bei ihm auf seinem Schloß in der Mark. Sein Vorschlag, mit ihm in die Welt zu reisen, gefällt ihr ungemein. So will sie leben! Das ist einer ihrer vielen hochgesteckten Ziele. – Aber einer ist im Schloß, der sie nicht leiden kann, der sie für etwas ganz und gar Minderwertiges hält: das ist der Diener Tottleben. Er haßt sie und sie verulkt ihn! In der folgenden Woche ist Gaby nur zerstreut bei der Arbeit im Geschäft. Sie vernachlässigt Georg vollkommen, ebenso ihre Freundin Christa und deren Freund Walter. Die Gemeinschaft dieser vier Leute scheint auseinanderzugehen. Jeden Abend bummelt sie mit Maximilian. Schon muß sie beichten, daß die Geldgeschichte wahrscheinlich nicht klappen wird, denn sie hat sich in Konstantin verliebt. – Am Sonnabend fährt sie wieder hinaus in die Mark. Sie nimmt Kadi mit. Und noch etwas nimmt sie mit: den Nerzpelz für 32000 Mark, den Madame Derlett so gern verkaufen möchte, weil sie dringend Geld braucht, wenn der Modesalon zum Ersten nicht aufliegen soll.
Bis jetzt hat Gaby den Wunsch, dieses wunderbare Pelzwerk heimlich anzuziehen, unterdrücken können. Aber heute trägt sie ihn. Sie bringt Kadi mit seinem Onkel Konstantin zusammen. Kadi gefällt ihm außerordentlich. Weniger dagegen gefällt ihm der kostbare Pelz. Gaby merkt seine Gedanken, erklärt ihm, sie habe keinen reichen Freund, der ihr einen Nerz schenken kann. Sie habe den Pelz ausgeliehen. Das hört Tottleben . . . Konstantin ist glücklich. Gaby auch, denn sie merkt seine Eifersucht. Später fragt Konstantin, warum sie Kadi mitgebracht habe. Und Gaby sagt die Wahrheit, daß sie ihn mit Wunsch Maximilians mitgebracht habe. Konstantin ist sehr betroffen. Aber dann, als Gaby sagt, sie habe sich bei dem Spiel wirklich in ihn verliebt, ist alles gut. Er will ihr einen Heiratsantrag machen. Aber bevor es dazu kommt, gelangt Gaby zur Besinnung. Sie sagt Konstantin, daß sie einen anderen Mann noch mehr liebe. Einen Mann, mit dem sie seit zwei Jahren unter einem Dach lebt. – Konstantin fährt am selben Abend nach Berlin. Als Gaby am nächsten Morgen zurückfahren will, entdeckt sie, daß der Nerz gestohlen ist. Nun ist alles aus! Sie alarmiert in Berlin ihre Freundin Christa. Verzweifelt berat sie mit ihr, was zu tun sei. Nirgends kann sie Konstantin erreichen. Frau Maria von Wachmeister kommt in den Modesalon. Erzählt Frau Derlett, daß sie sich eben mit ihrem Bruder Konstantin versöhnt habe. Jetzt kann sie wieder kaufen! Und sie will den Nerz sehen. Gaby und Christa sagen, daß der Nerz heute morgen an Herrn Konstantin von Haller verkauft worden sei. Madame Derlett wird stutzig. Kommt hart aneinander mit Gaby, die, um die Sache zu retten, sagt, sie sei mit Konstantin verlobt. Madame Derlett erfährt, daß weder die Verlobung noch der Pelzverkauf wahr ist. Gaby fliegt. In 24 Stunden hat sie den Nerz herbeizuschaffen. – Gaby wendet sich verzweifelt an Georg. Aber Georg glaubt nicht mehr an sie. Und nun verschwindet Gaby. Draußen auf dem Schloß ist Kadi. Er sucht den Nerz. – Er findet ihn bei Tottleben, der ihn in seiner Verbohrtheit dem rechtmäßigen Besitzer zustellen wollte. Kadi legt ein alte Hose Tottlebens in den Karton und nimmt den Pelz mit. – In dem Haus in der Wilhelmsaue, wo Gaby, Georg, Christa und Walter wohnen, herrscht tiefste Niedergeschlagenheit. Gaby ist nirgends zu finden. Georg ist tief unglücklich. Nun rafft er sich auf, um sie zu suchen. – Da erscheint Maximilian auf der Bildfläche. Der Pelz hat sich gefunden. Und Gaby? – Ja, davon weiß er nichts, sagt er! Dagegen hat er Georg einen Vorschlag zn machen. Nach Rücksprache mit Konstantin soll Georg finanziert werden. Georg sieht darin eine Abfindung und lehnt empört ab. Vor dem Haus in Maximilians Wagen sitzt Gaby; Maximilian hat nämlich geschwindelt. Wie Gaby Georg sieht, gibt sie Gas und rast davon. Georg springt in seinen Fahrschulwagen und folgt ihr. Folgt ihr durch die ganze Stadt. Endlich – an einer Straßenecke – Gaby kann nicht weiter, holt Georg sie ein. Er setzt sie in seinen alten unansehnlichen Wagen und – die Einigkeit ist wieder hergestellt.
Kritik (E. J., Film Kurier #084, 04/11/1931):
Achtung, aufmerken! Keine alltägliche Produktion.
Sie verdient herausgehoben, in ihren Werten bestätigt zu werden. Wenn doch endlich der „bessere“ Film „Mode“ würde! Dieser kommt immerhin schon in die Wegrichtung.
Er steht in der Reihe moderner Filme, wie sie (– wenn man das Joe May Manuskript von Duschinsky und Lantz „eine Ballnacht“ richtig einschätzt) Amerika schon lange kennt und die einen Kompromiß zwischen realistischem Zeitfilm und Leinwandmärchen bilden, dem Intellektuellen im Publikum wie dem reinen Filmkapitalisten gleicherweise angenehm.
Diese Art Filme sucht die heutige Wirklichkeit auf, dort, wo sie im Geschehen und im Gefühl fast märchenhaft anmutet, zwischen den romanhaften Abenteuern junger Menschen der großen Stadt, die hungern und lieben, betrügen und arbeiten.
Mädels und Männer von heute, wie sie die Großstadt wirklich kennt, eine Schicht aus ihren vielen sozialen Schichten, – gleichgültig, daß es sich um eine recht parasitäre Gruppe handelt und verzeihlich, wenn ein Film diese Gesellschaftsschicht noch recht unkritisch und eigentlich (wie in diesem Manuskript von Hans H. Zerlett und W. Speyer) ohne sozial kritische, ja sogar ohne sozialsatirische Einstellung festhält. Trotzdem
steht dieses Filmgenre nahe an der Zeit, holt seine Photos aus der Zeit, es muß daher dem Publikum mehr geben, selbst wenn ein Teil der Kritischen hier von „Asphalt-Erscheinungen, Großstadtsumpf, Dekadenz lamentiert.
Nach Speyers Ullsteinroman improvisiert der Film charmevoll über ein paar Menschen aus diesen Tagen; die Gaby und die Christa im Vordergrund, zwei von jenen auch seelisch gut gewachsenen Geschöpfen, die sich zwischen den Klassen und Rassen mit schönen Beinen, kleinem Verstand und nicht gerade Skrupelvollem Moralkodex umhertreiben.
Ihre Götter: Eros und die Portokasse, sie sind alles andere als die Edelfräuleis der Wedekindschen Sinnlichkeitsära. Ihre Puderdöschen sind keine Büchsen der Pandora, sie turnen mehr, sie sporteln anders als die morbide Lulu. Sie leben in einer unkomplizierten Jugend von heute – auch wenn ihre Väter und Großmütter in die Erde sinken würden, wüßten sie, wie nahe am Strafgesetzbuch und der „Schande“ die Enkel von heute marschieren.
Auch in diesem Film gehen sie aus (und der Mann bleibt da, muß Höschen waschen), sie trippeln vom Modegeschäft in die Bar, von der Bar bis dicht an Bettesrand – doch die Mädels von heute sind Marxistinnen, sie wissen, was sie wert sind.
Es passiert dabei nix.
Die Liebe ist doch kein leerer Wahn. Die kleine Modistin geht den Weg der „Privatsekretärin“.
Macht diese „Moderne Jugend“-Filme zu einer Mode-Klasse, wir kommen weiter damit als mit der Wiengarnitur!
★
Die Produktion hat im Dramaturgischen ihre Schwächen.
Die Szenenführung zersplittert sich, der Kenner kann prima vista den Reiz im Detail ablesen, das Publikum übersiehts, es ist die Regietragik von Hans Behrendt, der hier mit spürbarer Liebe gearbeitet hat, von einem umsichtigen und bereitwilligen Produktionsleiter – Joe Pasternack – unterstützt, mit prachtvollen und nicht schablonisierten Darstellern spielend. Es bleibt Einzelspiel, nicht Gesamtspiel. Szene folgt auf Szene, die gefährlichste Tonfilmtechnik! Es wird in den verschiedensten Regietonarten hintereinander musiziert. Das geht nicht. Ein Film muß auf einen Gesamtrhythmus gebracht sein.
Auch Camilla Horn, so sehr sie innerlich weitergekommen, bringt sich selbst sprachlich noch nicht auf eine Linie. Sie kann bildschön aussehn. Eine Freude für den auch sonst sehr sicheren Kameramann Willy Goldberger. Immermal zu viel Star, anstatt Mädel von heute.
Die Berthe Ostyn dagegen ganz privatschlicht ungevampt, netter Kerl, was zum Liebhaben. Dies besorgt ihr Fritz Ley, der mimisch ein sehr kühler glatter junger Mann ist, dafür ironischen Pfeffer in der Stimme hat. Erfreuliche Tonfilmbegabung.
Hans Brausewetter – ein deutscher Knab’, selten so geradehin und belustigend. Peter Wolff, der jüngste Mann im Film, ein vergnügter Schwerennöter. Gefällt sehr.
Die älteren Semester: Theodor Loos, Weltmann, Sammler auch schöner Frauen; Max Gülstorff, eine Dienertype mit dem Adelsbrief in der Knechtsbrust fast eine Herbert Eulenbergfigur.
Zu erwähnen, – – der Margo Lion verdrehte Gräfin und Oskar Simas flegelige Nonchalance. Hermine Sterler im Ensemble und – Trenck-Trebitsch, den man gern als Barmixer wiedererkennt, denn er singt und gestet mit gekonnter Nuancierung (ein Stransky-Lied).
Behrendt inszeniert mit Kultur, so oft die Abblendung aufgeht (zu oft, zu störend nur, Herr Zerlett, Herr Speyer) ein fesselndes Milieu von der Kegelbahn bis zum Wellenbad (gebaut von Hermann und Lippschütz). Der Tonschneider Marton arbeitet auf Zeitlupe, nicht für gestrafften Ablauf.
Bei Theo Mackeben war die musikalische Leitung in besten Händen, von der Tonqualität konnte man es nicht immer behaupten.
Der Wert des Films also: er sieht das Leben liegen.