A Woman Branded

Originaltitel: Gefahren der Liebe. (Vergewaltigt.) Tendenzdrama 1931; 86 min.; Regie: Eugen Thiele; Darsteller: Toni van Eyck, Elsa Bassermann, Adalbert von Schlettow, Kurt Lilien, Albert Bassermann, Hans Stüwe, Veit Harlan, Charlotte Ziegler; Nowik & Roell-Tobis-Klangfilm.

Eine Botanikerin wird in alkoholisiertem Zustande vergewaltigt, während ihr Verlobter sich auf einer Studienreise befindet. Nach seiner Heimkehr schießt sie, schwanger geworden und luetisch infiziert, den Verführer nieder. Sie wird freigesprochen, geheilt, und findet sich mit dem Verlobten.

Zusammenfassung
Ilse Thorn ist ein junges, sinnenfreudiges Menschenkind, von Beruf Botanikerin und verlobt mit dem am gleichen staatlichen Institut angestellten Dr. Kurt Rehmann. Dieser ist seit einem halben Jahr auf einer Studienreise in Ägypten, von der ihn Ilse sehnsüchtig zurückerwartet.
Dem botanischen Institut sollen die staatlichen Zuschüsse gesperrt werden; doch gelingt es dem Direktor, diese Gefahr abzuwenden. Aus Freude darüber soll ein kleines Fest gefeiert werden. Am Morgen dieses Tages erhält Ilse einen Brief ihres Verlobten, daß er seine Rückkehr noch aufschieben müsse. Ilse ist verzweifelt. Teilnahmslos und deprimiert sitzt sie am Abend inmitten der fröhlichen Gesellschaft. Plötzlich schlägt ihre Depression in Überlustigkeit um. Sie trinkt viel. Zu viel!
Auf dem Fest ist auch der Verwalter Bodde; ein großer, starker Mann, tüchtig im Dienst; sonst aber ein roher, gewalttätiger Mensch, ein Trunkenbold und Schürzenjäger. Als aus dem Zimmer des Verwalters neuer Stoff zum Trinken geholt wird, bleibt Ilse zufällig als letzte im Zimmer. Der Verwalter benutzt die Gelegenheit und nimmt das vom Alkohol willenlos gewordene Mädchen mit Gewalt. Seit dem Tage ist Ilse völlig verändert. Bald fühlt sie sich nicht wohl; sie geht zum Arzt. Dieser konstatiert eine Schwangenschaft und läßt zugleich eine Blutprobe machen, da er Verdacht auf Syphilis hat. Die Wassermannsche Reaktion ist in der Tat stark positiv. Als Ise dies erfährt, bricht sie zusammen. Sie schleppt sich ins Institut, gibt dem Verwalter das ärztliche Gutachten. Dieser weist sie brutal zurecht. Sie bittet ihn, ihrem Verlobten die ganze  Wahrheit zu sagen, da sie es nichtüber sich bringe. Anderes Tags sitzt sie in ihrem Zimmer. Plötzlich klopft es. Draußen steht ihr Verlobter. Ilse ist dem Zusammenbruch nahe. Es gelingt ihr, Kurt hinzuhalten. Sie eilt inzwischen zum Verwalter. Wirft ihm erregt seine Feigheit und Schuftigkeit vor. Da beschuldigt er sie zynisch, auch noch mit anderen Männern Verkehr gehabt zu haben. Das ist zuviel für Ilse. Sie verliert in ihrer Verzweiflung jede Beherrschung und schießt den gewissenlosen Verführer über den Haufen.
Sie wird verhaftet. Kommt ins Gefängnis-Krankenhaus. Kurt hat sich von ihr losgesagt. Erst dem Verteidiger Ilses gelingt es, den jungen Mann umzustimmen. Er besucht Ilse im Gefängnis und ist nach dem Zusammentreffen nur noch von dem einen Wunsch beseelt, Ilse zu helfen, zumal er durch Syphilisforscher, die ihn mit dem klinischen Kankheitsbild bekanntmachen, erfährt, daß durch künstliche Erzeugung des Malariafiebers diese furchtbare Geißel der Menschheit heilbar sei.
Der Tag der Schwurgerichtsverhandlung gegen Ilse Thorn kommt. Ihr Verteidiger, Dr. Ringius, schildert mit warmen Worten den Hergang der Tat, die nur die Verzweiflungstat eines zerquälten, zertretenen, tödlich verletzten Mädchenherzens gewesen sei, das gegenüber dem Verwalter keinen anderen Ausweg mehr gewußt habe. In gemeinster Weise beschimpft, durch ihren körperlichen Zustand überdies in höchstem Erregungszustand, habe sie aus innerer Notwehr zur Waffe gegriffen. Dr. Ringus richtet einen letzten Appell an die Geschworenen, bittet um Verstehen und menschlich gerechtes Gefühl für ein zerstörtes Menschenleben. Die Geschworenen haben das Wort: „Freispruch“.

Kritik (h.f., Film Kurier #089, 04/17/1931):
In den Wirrungszeiten der Nachkriegsaera war, mit anderen Verfallserscheinungen, die Hausse einer Art von Filmen zu konstatieren, die vorgab, der Aufklärung zu dienen.
Nunmehr wird der erste Aufklärungs-Tonfilm gestartet.
Brauchen wir überhaupt diese Gattung?Schaden kann sie bestimmt nicht; und wenn sie mit soviel Sauberkeit und innerer Anständigkeit gemacht ist, dazu so geschlossen, wie „Gefahren der Liebe“ –, dann ist sogar ein erheblicher Belehrungswert vorhanden.
Mag es Konjunktur sein oder sexualpolitische Propaganda . . . ; vielleicht auch beides zusammen. Egal: Film ist und bleibt, dank seinem Einfluß auf die Massen, in erster Linie Wirkungskunst.
So ist der nachhaltige, außergewöhnliche Eindruck dieses Werks festzustellen.

Sexualwissenschaft und Spielhandlung sind von Eugen Thiele und Wolfgang Wilhelm in guten Ausgleich gebracht worden. Warnung zu Vorsicht und Hygiene in geschlechtlichen Dingen, Demonstrierung der Vernachlässigung; Infektion bedeutet an Zeichentricks und wirklichen Fällen – eine ganze Schreckenskammer der Vernachlässigung.
Erfreulich, daß in solchem Zusammenhang keine Muckermoral gespendet wird, kein falsches Ethos injiziert. Sondern: Darstellung des Tatsächlichen. Unter Zurückdrängung des rein Handlungsmäßigen, das nichts ist als – geschickte – Umkleidung.
Mit Recht werden die Vorgänge in ein Milieu transponiert (landwirtschaftliche Versuchsanstalt) das keinen sozialen Querschnitt ergibt. Die Neutralisierung weist damit auf das allgemein Bedeutsame der Frage hin.
Es ist ein Kampf zwischen den Klassen, ein Kampf um die Volksgesundheit als Ganzes. Und der Film zeigt ihn mit vollem Verständnis für die Notwendigkeit, aus der Defensive der Heilung zu einer Verhütung vorzustoßen. Ein in sich gerechtfertigtes happy ending.

Eugen Thiele, der Regisseur, bringt eine ausgeprägte Begabung für Bildblick mit: eine erstaunliche Sicherheit, reizvoll abgeschlossene optische Episoden zu gestalten.
In der Führung der Schauspieler ist er von einer Noblesse, die durch selbstverständliche Unbetonung alles Sprachlichen jede Ueberdramatik vermeidet. (Mehr Zeit für ihn: und, vor allem, größere Aufgaben!)
Das infizierte Mädel spielt Tony van Eyck. Ungesucht im Dialog, mit aller Herbheit und Süße ihres Wesens.
Diese Art, sich zu geben, sich zu bewegen, zu gehen, ist von der Wahrhaftigkeit der großen, künstlerischen Leistung. (Wie weit ist der Weg zu solcher Vervollkommnung; über das Hemmende der technischen Reproduktion hinweg).
Einfachste Worte bekommen erschütternden Sinn. Alltagssituationen, kleine Spielszenen werden in eine höhere Sphäre gehoben. Hinter der sachlichen Art wird Energie und Konzentration spürbar, zum Ausdruck des Persönlichen.
Albert Bassermann bezieht seine Wirkungen aus den Bezirken vergangener Theater-Großzeit. Im Appell von der Gnade mit jenem Format der Eindringlichkeit und Menschlichkeit, die wir an ihm kennen und lieben.
In einer prachtvoll herausgearbeiteten Type: Kurl Lilien. Liebevollste Detail-Leistung. sorgfältig ausgefeilt: bis ins Letzte diszipliniert. Als Episodist gleichwertig den Hauptdarstellern.
Die übrigen: Kurt Ehrle, Rudolf Weinmann, Veit Harlan, Hans Stüwe, Adalbert von Schlettow.
Die Techniker haben bemerkenswert gute Arbeit geleistet:
Bauten voller Raumgefühl von Heinrich Richter, Bilder: Viktor Gluck, Tonaufnahme: Carlo Paganini und Dr. Hans Guttmann.
(Die Musik von Leo Leux ist unmotiviert und allzu süß.)

Verdienter starker Schluß-Beifall eines gepackten Publikums.

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