Panic in Chicago

Originaltitel: Panik in Chicago. (Panik in der Unterwelt.) Kriminaldrama 1931; 80 min.; Regie: Robert Wiene; Darsteller: Hans Rehmann, Olga Chekhova, Hilde Hildebrand, Ferdinand Hart, Ernst Dumcke, Lola Chlud; D. L. S.-Tobis-Klangfilm.

Ein Gangster wird erschossen. Angeblich von einem Kollegen, auf den nun die Polizei und die Freunde des Toten Jagd machen. Als sich die Unschuld des Verfolgten herausstellt, schützt ihn das Mädchen von ihren Leuten, bezahlt dies mit dem Leben. Den Mord beging eine frühere Geliebte des Erschossenen.

Zusammenfassung
Wenn plötzlich im Kassenraum eines Bankhauses maskierte Räuber erscheinen und „Hände hoch“ rufen, dann möchten wir mal den sehen, der sich zur Wehr setzt, – besonders, wenn der Fall sich in Chicago ereignet. Diese Riesenstadt zittert vor den zwei Banden, über deren Verbrechertaten die Zeitungen täglich Neues berichten. Sind es nicht die Leute Morand-Billys, dann sind es die verwegenen Gesellen Al Patus, vor denen kein Mensch mehr sicher ist.
Den Inhaber jener Bank, Taglioni, berührt der Einbruch nicht weiter. Er hat ja erst vor kurzer Zeit die Einbruchsversicherungssumme erhöht, und außerdem ist er an sehr vielen anderen lukrativen Unternehmungen beteiligt. So auch an dem großen Variete „Folies Caprices“, wo seine von ihm mit Geschenken überhäufte Freundin Susy Oven als Tänzerin eine besondere Anziehungskraft ausübt Die Damen vom Variete haben ja schon immer Glück gehabt. Da war eine andere Tänzerin, Florence Dingley, die hat eines Abends der Diamantenhändler Percy Boot gesehen, sich sterblich in sie verliebt, und nun bewohnt sie als seine Freundin eine fürstliche Wohnung. Aber seine ausgebreiteten Geschäfte lassen ihm so wenig Zeit, daß Florence nie mit seiner Gesellschaft fest rechnen kann.
Heute abend wollte er mit ihr in die Oper fahren. Susy ist bei Florence zu Besuch. Da kommt Percy, erklärt, eine wichtige Unterredung zu haben, sie müsse allein die Oper besuchen. Obwohl Susy im Programm erst spät auftritt, lehnt sie Florences Einladung, statt Percy mit in die Oper zu kommen, ab. Florence geht allein – und Percy fährt Susy, die ihre freie Zeit benutzen will, ein Kino zu besuchen, dorthin.
In dem Zimmer eines Hauses, das mit seinem Hinterflügel an die „Felles Caprices“ stößt, treffen sich zwei elegante Männer, Taglioni und Percy Boot Sie haben eine scharfe Auseinandersetzung, und bald ist es klar, wen man in diesen Dunkelmännern zu erblicken hat: Percy Boot ist Morand-Biliy, Taglioni – Al Patu.
Sie spielen beide eine große Rolle in der ersten Gesellschaft, ohne daß jemand merkt, daß sie die unsichtbaren Führer der Chicagoer Verbrecher sind. Früher war es noch nie zu Differenzen zwischen den beiden Führern gekommen, früher haben sie sich geschäftlich geeinigt. Dieses Mal hat Taglioni an Percy Boot eine halbe Million gezahlt, damit dessen Beute einen Transport von mechanischen Klavieren unbehelligt durch den Bereich Morand-Billys führen können. Denn Morand-Billy ist ein schlauer Fuchs. Wegen eines Transports von mechanischen Klavieren zahlt man nicht eine halbe Million, und bald hat er heraus, daß in den Klavieren für viele Millionen Rauschgifte verborgen sind. Taglioni seinerseits hat erfahren, daß Morand-Billys Leute den Transport überfallen sollen. Der Streit wird immer erregter und die beiden Männer gehen aufeinander los. -In die Loge Florences im Opernhaus kommt während der Vorstellung ein Logenschließer und sagt ihr, daß sie dringend am Fernsprecher verlangt wird. Sie eilt an den Apparat und hört nur noch die mit schwacher Stimme gesprochenen Worte Percy Boots, sie möge schnell kommen, der Chauffeur Tom, der mit dem Auto vor der Oper wartet, wisse Bescheid wohin. In rasender Fahrt geht es zu jenem Haus, in dem die Unterredung der beiden Bandenführer stattgefunden hat – Percy Boot liegt erschossen in seinem Stuhl.
Taglioni ist schnell nach Haus gekommen und hat das durch das Renkontre mit Percy Boot zerknitterte Frackhemd gewechselt, er sitzt nun in einem Weinrestaurant mit seiner Freundin Susy und deren Partnerin Fay Davis. An seinen Tisch kommt der Kriminalkommissar Renard, der heute abend schon einmal Taglioni gesprochen hat, nämlich unmittelbar nach dem Bankeinbruch, und der offensichtlich die Gesellschaft Taglionis sucht. Renard weiß bereits, daß Percy Boot ermordet und daß man in dem Toten den langgesuchten Morand-Billy gefunden hat. Wenn auch bei dem Toten ein Zettel lag. aus dem hervorzugehen scheint, daß es sich um einen Selbstmord handelt, hat Renard Taglioni im Weinrestaurant aufgesucht, weil ihm dieser Mann schon lange verdächtig erscheint Durch einen geschickten Trick versucht er, Taglioni in die Falle zu locken. Aber Taglioni ist schlau, – oder ist er wirklich unschuldig? – Durch den Chauffeur Tom, den einzigen Vertrauten Percy Boots, erfährt Florence alles. In einem hinterlassenen Schreiben hat der Ermordete in Vorahnung, daß die Unterredung mit Taglioni nicht glücklich für ihn auslaufen wird, den Satz geschrieben, daß, wenn man ihn tot finde, nur Al Patu sein Mörder sei.
Für Florence gibt es jetzt nur eins: Rache an dem Mörder des Geliebten. Sie eilt zu den Leuten Percy Boots und stachelt sie auf. Da erscheint in dem Kreis Taglioni selbst Ruhig und überlegen erklärt er, er habe Percy Boot, der ihn betrügen wollte, getötet Gegen das bezwingende Auftreten Taglionis wagen es trotz Florences Anwesenheit die verwegenen Burschen Morand-Billys nicht, sich auf ihn zu stürzen. – Florence ruht nicht Am nächsten Abend, an dem der Oberfall des Transportes stattfinden soll, gibt Taglioni in den für diesen Zweck hergerichteten Räumen seiner Villa ein Strand-Maskenfest. Unerkannt von den anderen erscheint Florence und ist bald an des Gastgebers Seite. Taglioni hat längst erkannt, wer sie ist und weiß auf alle ihre Fragen gute, ausweichende Antworten zu geben. Da spielt Florence ihren letzten Trumpf aus. Sie sagt ihm, daß in diesem Augenblick der wertvolle Transport von den Leuten des ermordeten Percy Boot überfallen wird. Taglioni stürmt fort Er kommt mitten in die mörderische Straßenschlacht, die sich zwischen den beiden Banden entsponnen hat Eine Kugel trifft ihn. Er wird von den Leuten seines toten Gegners in jenes Haus gedüngt, in dem die große Unterredung zwischen den beiden Führern gestern stattfand. – Da steht plötzlich in dem gleichen Zimmer Florence vor ihm. Jetzt, angesichts des Todes, verlangt sie von ihm die Wahrheit – er soll sein Geständnis, das er vor den Verbrechern In ihrer Gegenwart gemacht hat, wiederholen. Aber nun erklärt Taglioni, er habe die Unwahrheit gesagt – er sei nicht der Mörder. Florence glaubt ihm und verhütt ihm, ab sie ihre Leute angestürmt kommen hört, zur Flucht Zu ihrem Verderben. Man fordert von ihr den Todfeind. Man fühlt, sie hat ihn entkommen lassen – eine tödliche Kugel ist ihr Los.–Renard war nicht müßig. Der Telegraph hat gespielt und zu einem verblüffenden Resultat geführt, das die Aufklärung des Mordes bringt.

Kritik (-r., Film Kurier #145, 06/24/1931):
Die Kriminalfilmfreunde trauern über so viel Witzlosigkeit und die trockene Leere des Films, der den Abend über statt Panik meist Langeweile verbreitet.
Die zu behäbig-gemütlichen Lustspielen verwendbaren Autoren F. Raff und J. Urgiß haben für derartige Sujets offenbar gar keine Ader.
Einem Straßenjungen traut man da mehr Phantasie zu – einem Laien mehr Einfälle (obwohl sich genug Dilettantismus in diesem Chicagocaligarismus verrät).
Willig wird das Publikum auch ins Unwahrscheinliche der Verbrecher-Aktionen mitgehen, wenn es angepackt, mit Gruselhaut überzogen, aus dem Kinoschlaf gescheucht wird: Bluff, Verblüffung, Fopperei, Närrisches und Humor erwartet es.
Aon einigen Momenten abgesehn, spielt sich hier auf der Leinwand etwas ab, das man kaum versteht und das, sobald man es versteht, schlicht: dumm wirkt.
„Auf den Fleck” gebracht werden zwei Ring-Gegner, zum hundertsten Male wird Lenis „Hinter den Kulissen”-Spuk imitiert. Nachtfahrten mit Lichtreklamen täuschen ein „Chicago” vor, drei Verbrecher-Bräute schunkeln nicht vorhandenes Sexappeal einher, jeder Blick ein vergifteter Dolch.
Die ärmste Mörderin (Lola Chlud, zurück zur Schauspielschule) muß schließlich einen Enthüllungs-Monolog halten, gegen den der klassische Bericht des „schwedischen Hauptmann” ein kleines Gesäusel. Das Publikum schüttelte sich da vor Lachen. Es empfand diesen dreifachen M-M-M-Film als unfreiwillige Parodie auf Fritz Längs „M“.
Bis auf den bemerkenswerten Episodisten Franz Weber (vom Staatstheater) als stummen Detektiv und Autochauffeur bleiben die Darsteller günstigen Falls eindruckslos. Schlimm Olga Tschechowa, blonde Venus von vorvorgestern, reizlos von Goldberger gekurbelt. Wilde Bauten von Neppach.
Leiter der Mißinszenierung: Robert Wiene.

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