Originaltitel: Der Raub der Mona Lisa. Tragikomödie 1931; 90 min.; Regie: Géza von Bolváry; Darsteller: Willi Forst, Trude von Molo, Gustaf Gründgens, Rosa Valetti, Anton Pointner, Fritz Odemar, Hermine Sterler, Max Gülstorff, Alexander Roda-Roda, Fritz Alberti; Super-Tobis-Klangfilm.
Paris 1911. Ein Italiener, Glaser und Anstreicher, will einem Stubenmädchen seine Liebe beweisen, indem er für sie die Mona Lisa aus dem Louvre stiehlt. Findet kein Verständnis, bringt das Bild nach Florenz, wird dort verhaftet. Während der Verhandlung erkennt er, daß seine Liebe dem Bild gehörte, schützt nationale Beweggründe vor, wird als Held gefeiert.
Zusammenfassung
Am 22. August 1911 durcheilte eine sensationelle Nachricht die ganze Welt. Leonardo da Vincis Porträt der Gioconda, auch „Mona Lisa“ genannt, ein Meisterwerk der italienischen Renaissancekunst, verschwand aus dem Pariser National-Museum, dem Louvre. Am hellen Tage, unbemerkt von den zahlreichen Besuchern, die den Louvre bevölkerten, ward dieses Kunstwerk gestohlen, und dem Dieb gelang es, allen Sicherungsmaßnahmen der Museumsverwaltung zu trotzen, alle Kontrollen unbehindert zu passieren, unerkannt zu verschwinden, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen.
Der Diebstahl erregte ungeheures Aufsehen. „Das Lächeln der Mona Lisa“, dieser rätselhaft unbestimmbare Ausdruck, den der Künstler diesem Frauenantlitz gegeben hatte, stempelte dieses Porträt zu einem Werk von unschätzbarem Wert. Um so mehr zerbrach man sich den Kopf, welche Motive dem Dieb Anlaß zu seiner außergewöhnlichen Tat gegeben haben konnten.
Die tollsten Gerüchte durcheilten die Welt. Man vermutete die Hand eines amerikanischen „Sammlers“ dahinter, der für eine ungeheure Summe das Bild stehlen ließ, um es in seinem Privatmuseum zu begraben. Niemand glaubte daran, daß der Täter etwa die Absicht oder auch die Möglichkeit hatte, einen Geldvorteil zu erlangen, denn der erste Versuch des Verkaufs hätte unfehlbar zu seiner Verhaftung führen müssen. Man dachte an einen schlechten Scherz, um der Museumsverwaltung zu beweisen, wie mangelhaft ihre Sicherungsmaßnahmen seien, glaubte an ein Manöver einer Pariser Zeitung, um vorangegangene Angriffe gegen die Verwaltung des Louvre zu beweisen – und erwartete stündlich die Rückgabe oder Wiederauffindung.
Aber so sehr man sich den Kopf zerbrach, obwohl alle Polizeibehörden der Welt in Bewegung gesetzt und eine Belohnung von Frc. 50 000.– ausgesetzt, trotzdem zahllose Spuren verfolgt, unzählige Verhaftungen vorgenommen wurden – das Bild blieb verschwunden und unauffindbar. Zwei volle Jahre gingen darüber hinweg, als am 12. Dezember 1913 die Weltpresse mit der Schlagzeile erschien: „Die Mona Lisa wiedergefunden!“ In Florenz wurde ein Italiener namens Vincenzo Peruggia verhaftet, als er einem Florentiner Kunsthändler ein Bild anbot, in dem dieser die gestohlene „Mona Lisa“ wiederzuerkennen glaubte. Genaueste Prüfung des Werkes durch Italiens bedeutendste Kunst-Kapazitäten bestätigte die Richtigkeit, die „Wiederkehr der Mona Lisa“.
Der Verhaftete legte ein volles Geständnis ab. Er war der Dieb, in seinem Besitz war das Bild über zwei Jahre, und als Motiv für seine außergewöhnliche Tat gab er an, daß er Rache nehmen wollte an Napoleon, an seinen Verschleppungen von Kunstwerken aus Italien, daß er an Stelle der aus den italienischen Galerien geraubten und nach Paris gebrachten Bilder diese kostbarste Schöpfung italienischer Kunst dem italienischen Volke wiedergeben wollte.
Nie ist klargestellt worden, ob dieses edle Motiv allein Peruggia zum Dieb werden ließ. Auch der Prozeß, der Peruggia gemacht wurde und der ihm eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und zwei Monaten einbrachte, ergab keine einwandfreie Aufklärung dieses Falles. Das italienische Volk aber feierte Vincenzo Peruggia als Nationalhelden, als wahren Patrioten, als Rächer der Nation.
Dieser sensationellste Bilderdiebstahl der Welt, ein Kriminalfall größten Ausmaßes, bildet den Stoff, nach dem der Tonfilm „Der Raub der Mona Lisa“ geschaffen wurde. In ihm wird in fesselnder und erschöpfender Weise das Schicksal des Vincenzo Peruggia geschildert. Vor allem wird aber gezeigt, daß trotz seines heftigen Leugnens in der Gerichtsverhandlung doch die Liebe zu einer Frau die Triebfeder für sein Handeln war, die Zuneigung zu Mathilde, die er in Paris kennenlernte und deren bezauberndes Lächeln ihn ebenso fesselte wie das Bildnis der „Mona Lisa“. Um dieser Frau willen, um ihre Liebe zu erringen, um, wie sie es von dem Mann verlangte, der ihr gefallen, dessen Liebe sie erwidern könnte, etwas „Großes“ zu tun, etwas Besonderes, ward er zum Dieb. Als Peruggia erfahren mußte, daß Mathilde dennoch für ihn verloren war, entschloß er sich, Paris zu verlassen und die „Mona Lisa“ nach seiner Heimat, nach Florenz, zu bringen. Dort ereilte ihn das Schicksal. Die italienische Regierung gab das Kunstwerk an Frankreich zurück. Am alten Platze im Louvre fand die „Mona Lisa“ wieder Aufnahme, täglich von Tausenden bewundert, um ihres rätselhaften Lächelns wie auch ihrer ungeheuerlichen Geschichte willen.
Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #199, 08/26/1931):
Es begann mit einer Idee, einem guten großen Einfall. (So sollte eigentlich die Arbeit an allen Filmen anfangen . . .)
Die Idee war: Den Raub des Bildes „Mona Lisa“ aus dem Louvre, von dem vor fast genau 20 Jahren die ganze zivilisierte Welt sprach, zu verfilmen.
Was hatte man alles mit dieser Idee schon im voraus: Einen zugkräftigen Titel, ungeahnte Reklamemöglichkeiten, ein spannendes Ereignis. Alles zusammen eine schöne runde Summe wert.
Welche Vorbedingungen für einen Filmerfolg! Welch ein Unterschied gegenüber den meisten anderen Filmen, deren blutarme und unoriginelle „Handlung“ allein von einem großen Schauspieler-Ensemble lebt und bei denen sich die Produzenten zumeist bis einen Tag vor der Premiere nicht im klaren darüber sind, ob der Film „Liebesparadies“ oder „Nachtstürme“ oder „Frauenlaunen“ oder sonstwie heißen soll.
Jeder Schuljunge wird in ein paar Wochen, wenn er an einem Kino vorbeikommt, in dem der „Mona-Lisa“-Film gespielt wird, sagen: „Aha, das war die aufregende Geschichte in Paris“. Und jeder Kritiker wird, mit Verlaub zu sagen, über den Film williger und länger schreiben als über obengenannte Dutzendware.
Aber hier war nicht nur eine Idee, sondern auch die Fähigkeit, sie zu entwickeln, sie auszuführen, sie für den Film zurechtzukneten. Das Arbeits-Ensemble der Super-Film hat seinen größten Erfolg seit „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ zu buchen. Wenn es eine Filmakademie gebe, müßte dieser Film in vielen Kollegstunden seziert werden: Es wäre da etwas zu lernen!
Die Super-Leute können viel, haben der Bestie Publikum in ihre tiefste Seele geschaut, sie haben Mut zu Niveau und Neuem, und sie haben, hoch lebe Herr Julius Haimann!, schließlich auch das nötige Kleingeld zur Verfügung, damit ein Stoff wie dieser nicht in Dürftigkeit umkommt.
Das Manuskript von Walter Reisch ist ein Wunderwerk an Ideenfülle, an gelungenen Uebergängen, an überraschenden, witzigen, spannenden Momenten. Welch glückliche Mischung von Dramatik und leichthin geschriebener Reportage, welche Vielheit der Handlungs-Schauplätze. Das Ohr hat viel zu hören, aber das Auge noch mehr zu sehen.
Reisch und der Regisseur Geza von Bolvary, deren Arbeit schwer voneinander zu trennen ist, finden auch diesmal ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten für den Tonfilm. Sie lassen wichtige Handlungsphasen stumm spielen, wie die Verhaftung des Bilderdiebes und später dessen Erkenntnis von dem Unwert der Frau, für die er die „Mona Lisa“ raubte.
Diese eine Szene ist wundervoll. Der Dieb Peruggia steht vor Gericht und ist nahe daran zu sagen, daß er das Bild stahl, um der Geliebten seine Liebe zu beweisen. Da sieht er das Mädel sitzen, die schöne Trude von Molo, aufgebläht von der Sensation, die im nächsten Moment um sie herum sein wird, im Vorgefühl des Welt-Triumphes, die Frau zu sein, für die die „Mona Lisa“ gestohlen wurde. Sie lächelt, das gleiche Sphinx-Lächeln wie das Bild, in das ihr Gesicht überblendet. Peruggia starrt zu der Frau hin, die Vision zerrinnt, es bleibt eine schöne Frau, die für die Liebe nichts und für den Ruhm alles zu opfern bereit ist. Da gibt sich der Glaser und Anstreicher Peruggia einen Ruck: „Ich habe das Bild gestohlen, weil Napoleon es Italien gestohlen hat; ich wollte es der Stadt Florenz zurückgeben.“
Die seelischen Empfindungen dieser Szene sind stumm dargestellt!
Mitreißend die Schluß-Persiflage: Peruggia wird zum Nationalhelden, ein Volksredner schreit sich die Kehle heiser, aber Tausende brüllen „Eviva Peruggia“. (Echte Volksbegeisterung, bitte!)
★
Vor dem Zuschauer tut sich unwahrscheinliche Szenenbuntheit auf: Paris und Florenz, zauberhaft photographiert. Museumsbetrieb, zum Katalogblättern echt. Original-Zeitungen in allen Sprachen, die über Raub und Wiederfinden des Bildes berichten. Leicht ironisierte Untersuchungsmethoden der Polizei, feierliche Rückkehr der „Mona Lisa“ im Extrazug, Tanzgewimmel in einem Pariser Vergnügungslokal. Und endlich, als besondere Ueberraschung, Szenen aus einem Film des toten Max Linder, vorgeführt in einem kleinen Pariser Kino. Und zwischendurch hundert Kleine Pointen, hundert Nuancierungen. Im Branchejargon gesprochen: „Es ist allerhand drin in diesem Film!“
Eine Klippe hat der Film: Willy Forst, abgestempelter Lustspieldarsteller, in Szenen voll echtem Pathos. Regisseur und Schauspieler finden sich überraschend gut mit dem Problem ab. Forst durchbricht seine eigene Schablone, man glaubt ihm, daß er, ein bißchen überspannt ist ja der Junge, alles für eine geliebte Frau tut. Nur bei der Kirchenszene hüsteln ein paar im Parkett, nicht mit Unrecht. Es geht schnell vorüber, aber man sollte nicht mit dem Feuer spielen. Die Knierutscherei wirkt leicht komisch, ohne diesen faux pas der Regie hätte wohl auch diese Szene, die das kindlich-gläubige Gemüt des Diebes darstellen soll, ihre Wirkung.
Trude von Molo, in ihrem zweiten Film, hat die letzte Sprosse zum großen Erfolg erreicht. Sie wird morgen ein Star sein. Ihr schönes Gesicht gibt jedem Wink des Regisseurs nach, ein paar sprachliche Unebenheiten sind noch abzuschleifen, sie ist mehr Film- als Bühnenschauspielerin. Erst ihr körperlicher Reiz macht die Grundidee der Handlung verständlich: Eine Schauspielerin muß schon viel können, wenn der Zuschauer ihr glaubt, daß um ihretwillen die „Mona Lisa“ gestohlen wurde!
Gustaf Gründgens macht eine Nebenrolle allein durch seine starke Persönlichkeit glaubhaft, einen schwächeren Schauspieler würde man nach dem Woher und Warum fragen.
Die Besetzungsliste ist endlos: Roda Roda als starrsinniger Untersuchungsrichter, Rosa Valetti, Urbild einer Zimmervermieterin, Anton Pointner, Prototyp eines Reisenden, Fritz Alberti, jeder Zoll ein Minister. Weiter zu nennen: Fritz Odemar, Max Gülstorff (eine Sonderleistung!). Paul Kemp, Alexander Granach, Fritz Grünbaum, Hermine Sterler – es nimmt kein Ende.
Die Techniker arbeiteten ohne Tadel: Willy Goldberger an der Kamera, Andrej Andrejew und Robert Dietrich als Architekten, Fritz Seeger als Tonmeister.
Robert Stolz, der „Hausmusikant“ der Superfilm, lieferte fließende Melodien. Wird sein Sang von dem Lächeln der Mona Lisa ein Schlager werden?
Alles in allem: Es war ein großer, rauschender Erfolg.