
Originaltitel: Sein Scheidungsgrund. (Zwei blaue Augen und ein Tango.) Komödie 1931; 79 min.; Regie: Alfred Zeisler; Darsteller: Lien Deyers, Johannes Riemann, Heinz Salfner, Paul Hörbiger, Julius Falkenstein, Harry Halm, Leopold von Ledebur; Ufa-Klangfilm.
Ein Flugzeugfabrikant will rasch von seiner hysterischen Frau loskommen, nimmt die Schuld auf sich. Sein Anwalt engagiert ein im übrigen anständiges Mädchen als aktenmäßigen Scheidungsgrund. Als sich der Fabrikant später in die Kleine verliebt, sie heiraten will, hindern ihn die Eherechtsparagraphen. Doch da sein Anwalt Justizminister wird, erteilt er den ersehnten Dispens.
Zusammenfassung
Liane Roland, die Musikstudentin, Eschen-Allee 37, direkt unterm Dach, feiert ohne Ach aber mit Krach ihren 18. Geburtstag! Alle ihre Freunde und Freundinnen sind da, begeistert, durstig und laut, und da keiner den anderen zu Worte kommen lassen will, reden alle gleichzeitig. Liane ist aber auch zu nett, und daß sie außerdem jetzt, wo sie 18 ist, auch ein bißchen Geld, ihr Erbe, in die Finger bekommen soll schadet auch nichts und erhöht ihre Stellung unter den Kollegen. Die Wogen der Begeisterung schlagen immer höher und – lauter. Eine Etage tiefer zieht gerade ein neuer Mieter ein, der Prokurist Sperling von den Lüders Flugzeug Werken, der etwas nervös ist und ein ruhiges Zimmer gesucht hat. Sperling ist Junggeselle und freut sich dessen, denn erst heute hat er wieder so recht gesehen, wie schlecht es Ehemänner haben, als sein Chef Robert Lüders – wie immer wegen einer Nichtigkeit – einen heftigen Zank mit seiner Frau hatte, die nicht einsehen will, daß ein Ehemann nicht nur zum Vergnügen der Gattin auf der Welt ist. Zu der Aufregung im Geschäft kommt nun für Sperling noch der Ärger über den Lärm da oben. Verzweifelt klopft er an die dünne Zeche. Vergeblich! Gerade komponiert das Geburtstagskind eines neuen Schlager für das Preisausschreiben des Grabestrion-Verlags, I. Preis 1000.– Mark, und alle leisten dabei Geburtshilfe:
Zwei blaue Augen und ein Tango
Die sind schuld daran – – –
So weit ist Liane schon, der Rest kommt gleich nach!
Im Hause Lüders wird auch gerade Musik gemacht. Eine stattliche Matrone erzählt den gelangweilten Gästen, wo sie so manches liebe Stunde an der Weser mit ihrer Laute gesessen ist. Lüders, abgespannt von der Arbeit, gibt seinem Freunde, dem Justizrat und Abgeordneten Dr. Gartz, einen Wink mit den Augen. Die beiden drücken sich ins Nebenzimmer, so Gartz ein Nickerchen machen will. – Der Löwe des Abends ist der Freund der Hausfrau, der Hellseher Rasmussen, ein eitler Schwätzer, der mit seinen Erfolgen bei Frauen renommiert. Auch die Frau sei ein prachtvolles Weib – mit Temperament – verstehen Sie! – erzählt er ausgerechnet Robert Rüders den er nicht kennt, der aber heilfroh ist, nun einen Scheidungsgrund zu haben. Gartz soll alles Weitere gleich in die Wege leiten.
Am nächsten Morgen sitz Liane Roland vor dem Justizrat und erfährt, daß ihr Vormund ihr Erbe verspekuliert hat. Sie ist plötzlich arm geworden und muß sich nach einem Broterwerb umsehen. Gartz, der dem hübschen Mädel helfen will, schlägt ihr vor, im Scheidungsprozeß Lüden für 500.– Mark den Scheidungsgrund zu mimen. Lüders will, um die Seche zu beschleunigen, die Schuld auf sich nehmen. Er wird Liane als Scheidungsgrund angeben, und sie braucht nur vor Gericht die Aussage zu verweigern. Liane ist einverstanden, lernt ihr Sprüchlein auswendig, und als Hilde Lüders nach ausgesprochener Scheidung das Sitzungszimmer verläßt stößt sie auf Liane, die ganz naiv erzählt, sie sei teer Scheidung rund. Wütend mustert Hilde die Konkurrentin und rauscht davon.
Lüder von einer Last befreit, verläßt munteren Schrittes das Gerichtsgebäude und bummelt vergnügt durch die Straßen. Vor ihm geht ein hübsches blondes Mädchen. Er ist ja frei, aller Fesseln ledig, also – warum nicht? Nach einiger Mühe gelingt es ihm, die Kleine kennenzulernen, es ist Liane. Sie erzählt ihm von ihrem Leben, zeigt ihm zutraulich den selbst komponierten Schlager, spielt ihn auf dem Klavier des Restaurants:
Zwei blaue Augen und ein Tango, die sind schuld daran,
Daß ich seit gestern nicht mehr lachen, nicht mehr weinen kann.
Ich hör’ nur immerzu der Töne süßes Klagen
Und seh’ die Augen, die mir stumme Worte sagen . . .
Zwei blaue Augen und ein Tango, die sind schuld daran,
Daß ich mir ohne dich kein Leben denken kann, –
Denn was der Tango ahnen ließ
Und was das Augenpaar verhieß, –
Das war so süß, daß ich es nie vergessen kann!
Lüders hat sich bei Liane als Prokurist Sperling eingeführt, und um ihr weiter zu helfen, schickt er ihr heimlich 1000.– Mark als I. Preis des Orchestrion-Verlags. Strahlend willigt Liane ein, das freudige Ereignis mit ihm zu feiern. Und welch ein Wunder! Das Orchester in dem eleganten Restaurant spielt auch bereits den neuen Schlager. Liane ist selig. Die Zukunft liegt rosenrot vor ihr.
Doch das Unglück schreitet schnell! Der Orchstrion-Verlag schickt ihr am Tage darauf den Schlager zurück, sie wittert den Betrug, eilt zu Lüders-Werken. „Wo ist Sperling?“ Der alte Prokurist schüttelt den Kopf, er ist der einzige Sperling in diesem Vogelhaus. „Wer ist der Mann auf dem Bild dort?“, „Das ist unser Chef, Herr Lüders!“ Liane weiß genug, sie dringt bei Lüders ein, der sie beruhigen und versöhnen will. Die geschiedene Hilde ist auch da und erklärt höhnisch, daß Robert diese Dame nie heiraten könnte, sie sei ja sein Scheidungsgrund! Robert eilt zu Gartz: „Nur der Justizminister kann die Heiratserlaubnis erteilen.“ Also zum Minister! Aber dessen Sohn hat er gerade am Abend vorher öffentlich blamiert, als der Jüngling frech wurde. Was nun?
Ratlos sitzt Robert bei Liane, deren Wohnung gerade ausgeräumt wird. Er stellt das Radio an. Was ist das? Mißtrauensvotum im Parlament! Der Justizminister gestürzt! Gartz ist sein Nachfolger! „Von mir aus könnt Ihr heiraten! wann Ihr wollt“ lautet sein salomonisches Urteil.
Zwei blaue Augen und ein Tango
Die sind schuld daran!
Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #232, 10/03/1931):
Die Ufa hat in dieser Saison eine glückliche Hand für die Produktion von Lustspielen. Innerhalb kurzer Zeit ist dieser Film der dritte, der nach „Der kleine Seitensprung“ und „Meine Frau, die Hochstaplerin“, das Publikum in strahlende Laune versetzte.
Daß dieser Dauererfolg nicht durch zufällige Glücksumstände zu erklären ist, wird jedem Fachmann einleuchten. Hauptanteil daran hat die Produktions-Organisation der Ufa, die für jeden Film von vornherein eine gewisse Niveau-Basis gibt. Vom Manuskript angefangen erscheint jede Einzelheit durchdacht. Der nerven-zerreißende, undisziplinierte Hetzbetrieb, der anderswo leider immer noch anzutreffen ist, ist ausgeschaltet zugunsten einer zwar flohen, aber doch planmäßigen Arbeit.
Daß gute Filme natürlich nicht nur durch eine gute Organisation zu schaffen sind, ist klar, der nicht zu organisierende Geist der einzelnen Schaffenden hat überall das letzte Wort zu sprechen. Aber die Chancen für den Erfolg stehen dank der Organisation von vornherein erheblich günstiger.
Der neue Film basiert auf einem Manuskript von Franz Arnold und Max Jungk. Ein Frisch-geschiedener verliebt sich ausgerechnet in das Mädchen, das seinem Rechtsanwalt als „Scheidungsgrund“ in dem glücklich beendeten Ehekrieg diente. Für die Beseitigung der daraus entstehenden Schwierigkeiten ist manche lustige Situation erforderlich, bis ein jäher Ministerwechsel die happy ending-Sonne erstrahlen läßt.
Das Manuskript ist sorgsam ausgearbeitet, mit einer Fülle überraschender Effekte. Es wurden auch für stofflich des öfteren dagewesene Situationen neue Variationen erfunden. Man hat den erfreulichen und belohnten Ehrgeiz gehabt, auch das letzte Detail mit größtmöglicher Wirkung herauszubringen.
Der Regisseur Alfred Zeißler hat sich glücklich in das Manuskript hineingearbeitet. Eine Geburtstagsfeier hat Schwung, einer langweiligen Gesellschaft ist auch das letzte Gähnen abgeguckt, der Betrieb im Scheidungsgericht ist mit Humor gesehen, die diversen Passagen des „Nachsteigens“ sind glücklich gewählt. Und wenn es sich auch nur um die Wunder eines Automatenrestaurants handelt, immer sind sogar die einzelnen Handlungs-Schauplätze möglichst originell skizziert. Der nichteingetragene Verein unglücklicher Neubaumieter wird den Film mit besonderen Interesse genießen.
Die Besetzung ist glücklich. „Er“ ist Johannes Riemann, seit der Tonfilmumtstellung einer der meist gefragten „Liebhaber“, da er a) gut aussieht und b) den Anschein erweckt, daß er beispielsweise wirklich der Direktor einer Flugzeugfabrik sein könnte. Bonvivant mit realem Hintergrund. Eine heute allseits bevorzugte Mischung.
Lien Deyers präsentiert sich als ungewöhnlich hübscher Scheidungsgrund. Erfrischend unsentimental, Musikstudentin von 1931.
Eine Neuentdeckung für den Film: Blandine Ebinger. Ganz „hysterische Ziege“. (So hieß einmal ein Chanson von ihr.) Erheblich übergeschnappt, heute für einen Hellseher, morgen für einen Boxer begeistert. Ein neuer Typ.
Heinz Salfner gibt einen ungewöhnlich repräsentablen Justizrat, Paul Hörbiger charlatant mit Unverschämtheit. Julius Falkenstein hat als schrulliger Buchhalter viele Lacher, er hätte aber etwas gedämpft werden können. Leopold von Ledebour, Harry Halm, Hella Tomegg und Geza L. Weiß sind sonst noch zu erwähnen.
Die Technik hat Ufa-Niveau. Bild: Franz Planer, Bernhard Wentzel, Bau: W. A. Hermann – Herbert Lippschitz, Ton: Dr. Goldbaum. Vorbildlich die Wiedergabe.
Otto Stransky lieferte einen von Ruth Feiner geschriebenen Schlager, der Aussicht auf Erfolg hat. Hans-Otto Borgmann leitete das Musikalische, das zum guten Teil von der Kapelle Dajos Bela bestritten wird.
Es gab starken Beifall, auf „offener Szene“ und zum Schluß.