Originaltitel: Ein ausgekochter Junge. (Die Bombe platzt.) Groteske 1931; 76 min.; Regie: Erich Schönfelder; Darsteller: Sig Arno, Julius Falkenstein, Paul Westermeier, Olly Gebauer, Charles Puffy, Elza Temary, Lotte Werkmeister, Maria Forescu; Engels & Schmidt-Tobis-Klangfilm.
Ein Bürodiener wird in einer Rummelbude zusammen mit einem fremden Mädchen hypnotisiert. Die beiden halten sich für ein Ehepaar, suchen das Weite, vom Hypnotiseur und dem Bräutigam des Mädchens verfolgt. Gelangen in eine Pension mit absonderlichen Gästen, wo (diese, allein den Titel rechtfertigende, Szene wurde aber eliminiert!) eine wirkliche Bombe platzt. Schließlich versetzt sie der Hypnotiseur wieder in die Wirklichkeit.
Zusammenfassung
Ignaz Fischbein, Hausdiener im Modehaus Adolf Strohbach, ist ein gutmütiger, braver Trottel. Er wird kräftig ausgenutzt, ist von morgens bis abends auf den Beinen, will es jedem recht machen und richtet dabei stets Verwirrung an. Adolf Strohbach, der gestrenge, ewig knurrige Chef, ist ein großer Casanova. Neben der ihm angetrauten Gattin hat er eine kleine Liaison mit der Tänzerin Rolly-Polly, die ihren „Adibubi“ munter ausnutzt und seine stürmische Verliebtheit geschickt in klingende Münze umzusetzen versteht.
Strohbach hat ihr einen kleinen „Weekend-Trip“ versprechen, und am Sonnabend Mittag schickt er Fischbein mit 100 Mark zum Schneider, damit er ihm seinen neuen Sommeranzug abhole.
Fischbein zieht los. Er erledigt seine Besorgungen, da er aber keinerlei Lust verspürt, ins Büro zurückzukehren, schlendert er müßig durch die Straßen und landet schließlich auf einem kleinen Rummelplatz. Und dort trifft er – – sein Schicksal.
Das Schicksal heißt Mizzi, ist Wienerin und die Braut des wackeren Bierkutschers Paul Kasulke. Mizzi und Paul wollen heute aufs Standesamt gehen, zunächst muß aber der gute Paul, dem der Dienst über alles geht, noch ein paar Tonnen irgendwo abliefern. Er hat Mizzi gebeten, sich eine halbe Stunde allein die Zeit zu vertreiben, später möge sie in eine kleine Kneipe kommen, wo Paul sie mit den Trauzeugen erwarten werde. Der arme Ignaz verliert auf der Stelle sein Herz an Mizzi. Da er aber ein ungeschickter, ungelenker Kerl ist, benimmt er sich – ganz gegen seinen Willen – Mizzi gegenüber so aufdringlich, daß sie ihn empört anfährt und sich seine plumpen Vertraulichkeiten verbittet. Mizzi schlendert über den Rummel, Ignaz trabt hinterher. Vor einer Bude, die „Brahmaputras magische Wunderschau” beherbergt, bleibt Mizzi neugierig stehen. Sie hat ja noch eine halbe Stunde Zeit und betritt das magische Kabinett. Ignaz folgt ihr.
Brahmaputra ist nicht etwa, wie sein Name vermuten läßt, ein geheimnisvoller Inder, sondern ein biederer Sachse, der sich unter dem effektvollen Pseudonym als Hypnotiseur produziert. Er bittet zum Zwecke seines „staunenswerten Experiments“ einen Herren und eine Dame auf die Bühne, und als Ignaz sieht, daß Mizzi Brahmaputras Aufforderung Folge leistet, stürzt er ihr nach, purzelt auf die Bühne, Mizzi zu Füßen. Mizzi, empört, den aufdringlichen Kerl wieder zu sehen, gibt ihm eine Ohrfeige. Sie will schon von der Bühne gehen, bleibt jedoch schließlich auf Brahmaputras dringende Bitte. Brahmaputra beginnt mit seinem Experiment. Nach vergeblichen Versuchen gelingt es ihm endlich, Ignaz und Mizzi einzuschläfern. Mit geschlossenen Augen sitzen sie auf der Bühne. Stolz wendet sich Brahmaputra zum Publikum und erklärt, daß nunmehr eigentlich erst das Experiment beginne. Er werde also diese beiden Menschen, die sich ja offensichtlich nicht ausstehen können, miteinander verheiraten! Und zwar werde er ihnen suggerieren, daß sie Mann und Frau seien und sich gerade auf der Hochzeitsreise befänden. Beim Erwachen würden beide ihr bisheriges Leben vergessen haben, sich küssen und erst auf Brahmaputras Gegenbefehl in die Wirklichkeit zurückkehren. Atemlose Spannung im Publikum. Brahmaputra löst den hypnotischer Bann. Ignaz und Mizzi erwachen, starren sich sekundenlang an, um sich dann zärtlich in die Arme zu sinken. Das Experiment ist geglückt, sie glauben, Mann und Frau zu sein! Applaus und Lachen im Publikum. Die „Eheleute” erschrecken, und ehe er der entsetzte Brahmaputra verhindern kann, sind sie aus der Bude verschwunden und haben das Wette gesucht.
Und zwei Menschen, die sich nie vorher gekannt haben, die nichts voreinander wissen, gehen nun auf eine abenteuerliche „Hochzeitsreise”. – Paul Kasulke wartet inzwischen auf seine Braut Endlich sieht er sie mit Ignaz vorüberkommen und stürzt freudestrahlend auf sie zu. Verblüfft prallt er zurück, als Mizzi sich seine Belästigungen verbittet und Ignaz, ihren „Mann“, zu Hilfe herbeiruft. Es kommt zu einem heftigen Auftritt zwischen Paul und Ignaz, Paul wird kampfunfähig gemacht, Ignaz und Mizzi drücken sich. Brahmaputra, der schreckensbleich nach seinen durchgegangenen Medien sucht, kommt an der Kneipe vorüber. Er klärt Paul über den unangenehmen Vorfall auf. Paul läßt ihn nicht mehr los, Brahmaputra muß bei ihm bleiben, bis Mizzi gefunden und aus dem seltsamen Trancezustand erweckt worden ist. Ignaz und Mizzi gehen als glückliche Menschen durch die Stadt Sie wissen von nichts mehr, sie haben alles, was gewesen ist, vergessen,
Die beiden Hypnotisierten wählen die Villa „Waldfrieden“ zu ihrem Aufenthalt, um endlich allein sein zu können. Verfolgt, ruhelos erlebt er aufregende Sunden, und als schließlich alle Gefahren glücklich überstanden sind, taucht Paul mit dem Hypnotiseur Brahmaputra auf. Gerade hält Ignaz seine Mizzi im Arm, als Brahmaputra heranschleicht und beiden „Erwachen Sie!” zuflüstert. Plötzlich ist die Wirklichkeit wieder da, entgeistert starren sich Ignaz und Mizzi an. Mizzi, die plötzlich wieder den ekelhaften Kerl aus der Hypnotiseurbude vor sich sieht, gibt Ignaz einen Stoß, daß er gegen Paul fliegt, und Paul tut ein übriges, um den fassungslosen Ignaz an die frische Luft zu befördern.
Der Traum ist vorüber, und zwei Menschen gehen auseinander, die nicht mehr wissen, daß sie einen Tag lang miteinander glücklich waren.
Kritik (-e-, Film Kurier #262, 11/07/1931):
Es geht toll zu, ausgekochte Jungens, die Produktionsleiter, Autoren und Regisseure dieses Films –, wenn schon Posse, dann tausendprozentig, sagen sie.
So entstand ein Extrakt aller Possenspässe seit 200 vor Christi.
Keine Verwechslungs-Wirren, die ungenutzt blieben, kein Witz, an den nicht gedacht wurde, – Kuchenteig, Speiseeis, Mostrich und Schlagsahne, die unentbehrlichen Stimmungs-Zauberer . . . Erich Schönfelder, der Inszenierer, kennt sich aus.
Endlich – auf der Höchstebene der Situationskomik platzt, in einem Plumpudding versteckt – – die Bombe eines Anarchisten in der Villa Waldfrieden. Die Wirkung war vorher nicht auszumalen: Julius Falkenstein hängt plötzlich demoliert am Kronenleuchter, furchtbar zerschlissen, – Siegfried Arno steckt rußgeschwärzt im Kamin, ein Stück Nase ging verloren, – von Henry Bender flattern die Fetzen herunter, – ein entfesselter Lumpenball im letzten Delirium „Non possumus“ wir können nicht mehr – stöhnt das Publikum vor Lachen, denn bei jedem Satz, bei jedem neuen Bild beinahe, krümmt sich ein Teil des Parketts. (Obwohl es eine Posse – für die Galerie ist.)
Und schon ein paar Sekunden später merkt man, das mit der Bombe war noch gar nichts. Da sind schon neue Possen-Ueberraschungen vorbereitet und listig durchgeführt.
Das tempoerfüllte Situationendurcheinander veranlaßt ein garantiert echter indischer Hypnotiseur aus Meißen (sehr gut darin: Albert Paulig), in einer Rummelplatzbude senkt er ein ungleiches Paar – Olly Gebauer und Siegfried Arno – in Schlaf und suggeriert ihnen ein, sie seien verheiratet. Die Beiden entwischen aus der Bude und mimen, verfolgt vom echten Bräutigam und dem verzweifelten Hypnotiseur Eheglück auf der Hochzeitsreise. Sie geraten dabei in ein Pensionat, gegen das die „Pension Schöller“ ein Taubstummen-Friedhof.
Wer sich auslachen will, findet neben den unmöglichsten Menschen das Tierreich in diesem Film versammelt: Igel und Frösche, die bei Hermann Picha übernachten oder ins Bett der Jungfer Lotte Werkmeister abwandern. Doch die Menschen werden viel mehr gequält: Julius Falkenstein steckt mal in der Zwangsjacke, mal im Sauerkohlfaß. Es bleibt erstaunlich, wie der Autor (Erich Philippi) und der Regisseur mitsamt dem technischen Stabe (Kamera: Winterstein; Tonaufnahme: Metain) sich durch den an sich geschickt konstruierten Possenirrgarten durchfanden.
Die große Rolle hat Siegfried Arno, der sich wieder als Exzentriker bewährt. Um ihn herum noch Paul Westermeier, Huszar-Puffy, die Forescu, Dammann und viele hübsche Mannequins. Angenehmes Wiedersehen dabei mit Elsa Temary, die gut aussieht und reizvoll spricht.
Die Produktion hat auch für zündende Musik gesorgt: Will Meisel bringt mit der Kapelle Gerhard Hoffmann den schmissigen Hauptschlager vom Ipunkt und der Liebe wirkungsvoll heraus.
Die bei aller wirbeligen Tollheit des Possenthemas ausgeglichene Produktionsarbeit ist kennzeichnend für die Engels & Schmidt-Produktion. Sie will und erreicht mehr als Nur-Durchschnitt. Der Erfolg der Posse wird überall gleich stark sein.