Originaltitel: Die Koffer des Herrn O. F. Eine Groteske Zeitsatire 1931; 73 min.; Regie: Alexis Granowsky; Darsteller: Alfred Abel, Peter Lorre, Harald Paulsen, Margo Lion, Hedy Lamarr, Ilse Korseck, Ludwig Stössel, Hadrian Maria Netto, Bernhard Goetzke, Hertha von Walther; D. L. S.-Tobis-Klangfilm.
In ein Nest kommen dreizehn Koffer, gelten als Vorboten eines Krösusses. Geben den Bewohnern Sensation, Unternehmungslust. Schaffen Betrieb, Prosperity, reißen den Ort inmitten einer Welt der Depression hoch. Es verschlägt nichts, daß der vornehme Reisende nicht kommt, die Koffer nur verschickt waren. Schließlich haben die Nutznießer des Rummels selbst dessen Ursprung vergessen.
Zusammenfassung
Groß ist die Welt – und klein ist das Städtchen Ostend. Ein kaum wahrnehmbarer Punkt auf der Landkarte – nur unter der Lupe zu finden.
Die Stille des Städtchens wird aufgescheucht durch ein erschütterndes Ereignis. Durch die einzige Hauptstöße schwanken auf einem Lastwagen dreizehn Koffer mit Hotelzetteln aus aller Welt beklebt, auf jedem Koffer sichtbar zwei Buchstaben: O. F. Gleichzeitig werden beim Wirt des einigen Hotels sechs Zimmer bestellt. Der avisierte Gast soll in den nächsten Tagen kommen. Die Kunde von dieser Sensation rüttelt das Städtchen bis in seine Grundfesten auf.
Der Hotelier ist vor die schwierigste Situation seines Lebens gestellt: sechs Zimmer, und das Hotel hat nur fünf. Kurz entschlossen wirft er alle Gäste hinaus und läßt die Wand zu seiner eigenen Wohnung durchbrechen. Ganz Ostend fängt an zu renovieren: Aus dem Hotel wird „Grand Hotel Ostend”, der Friseur verhandelt sein Geschäft in „Coiffeur Jean”, aus dem Schneidernden wird „Old Gentlemen Tailor Dorn”. Spät geht das Städtchen in dieser Nacht die Einwohner zur Ruhe kommen, die Diskussionen in allen Häusern langsam verebben, beschließt
einzigen Traum diesen ereignisreichen Tag: Dem Traum vom geheimnisvollen Herrn O. F. Früher als sonst erwacht das Städtchen. Fieberhaft wird überall zum Empfang gerüstet: Ehrenbogen aufgestellt, Kinder geschmückt und eingeübt. Und plötzlich sei ein Freund des Herrn O. F., der Oscar Flott heißt und viele Millionen besitze.
Der von Helene, der Tochter des Bürgermeisters, so sehr geliebte und vom Bürgermeister nicht sehr geschätzte Karl Stark ist ein junger Bauingenieur. Als er von den großen Projekten des Millionärs hört, beschließt er, ganz Ostend umzubauen. Er spricht von seinen Ideen, er verhandelt mit den Einwohnern, er entwirft Baupläne für Oper, Kasino, Rathaus, Warenhaus, Filmpalast, einen Boulevard der dreizehn Koffer . . . Die Ostender Bürger packt ein wütendes Spekulationsfieber.
Der Wirt holt sich Rat beim Redakteur Stix über die Gewohnheiten und Liebhabereien des Herrn O. F. Stix empfiehlt ihm, in der Hauptstadt Kabarett, Girls und Jazzkapelle zu bestellen und eine Bar bauen zu lassen, da dies die Hauptleidenschaften O. F.s seien. Und so beginnt die selbständige, unaufhaltsame Entwicklung des Städtchens zur Metropole.
Es fallen die unmodernen Kleider der Frauen, Schminke, Lippenstift und Puder halten ihren Einzug in jedes Haus, nachdem die Frauen den Star der Kabarett-Truppe gesehen haben. Die alten Familienbegriffe stehen Kopf, ein „Ostender Salon für Moden und guten Ton“ wird gegründet, der Bürgermeister, der längst eine Sekretärin und einen Pagen hat, ernennt Stark zum Stadtbaumeister, und unter der Chefredaktion Alfons Stix’s werden die „Ostender Nachrichten“ gegründet.
Ostend blüht auf – aber O. F. ist immer noch nicht da. Man bestürmt den Wirt, macht ihm Vorwürfe, als hätte er die alleinige Schuld am Nichteintreffen des Millionärs. In seiner Bedrängnis verfällt er auf einen Ausweg: Sein Sohn Alexander muß nach Paris fahren und dort ein an ihn gerichtetes Telegramm aufgeben: „Gast bestellt sechs Zimmer eintrifft morgen.”
Der Ankunftstag ist gekommen. Die gesamte Stadt ist auf den Beinen, und sämtliche Bürger warten Stunden und Stunden in fieberhafter Erregung auf das Erscheinen des geheimnisvollen Herrn O. F. Als die Begeisterung in Mißstimmung und Enttäuschung umzuschlagen droht – erscheint auf dem Balkon ein Schatten, der feierlich grüßt und wieder verschwindet. Eine Delegation unter Führung des Bürgermeisters will den Gast begrüßen, doch der Hotelier erklärt: „Herr O. F. läßt sich entschuldigen, er ist unpäßlich und kann niemand empfangen.”
Helene ist, seitdem O. F. die Stadt auf den Kopf gestellt hat, sehr unzufrieden. Sie flucht und tobt, daß weder Stark noch ihr Vater Zeit für sie habe, und wünscht O. F. zum Teufel. Wütend stürzt sie eines Tages zum Hotel und trifft in den Zimmern des Herrn O. F. mit Stix, Stark und Alexander zusammen. Und nun klärt sich das Durcheinander auf. Alexander verrät, daß er das Telegramm an seinen Vater selbst aufgegeben habe, daß er der Schatten hinter dem Fenster gewesen ist. Stix beichtet, daß er niemals einen Herrn Flott gekannt hat, und sie beschließen: „Es muß etwas geschehen, O. F. muß verschwinden.”
Aber als die vier ihre Legende verbreiten wollen, daß mit O. F. etwas „Sonderbares” passiert sei, erinnert sich niemand mehr an ihn und seine dreizehn Koffer. Der Aufstieg der Stadt ist über O. F. hinweggegangen.
Die führenden Wirtschaftler der Hauptstadt des Landes zerbrechen sich die Köpfe über diese einzig dastehende Konjunktur Ostends. Dieses Problem muß gründlichst erforscht werden. Kommissionen arbeiten fieberhaft, hunderte und tausende Wirtschaftskonferenzen werden cm berufen – aber selbst die 2500ste Konferenz bringt keine Lösung des Geheimnisses.
Ostend blüht immer mehr auf, die Stadt wird immer vermögender, man heiratet, Kinder werden geboren. man spekuliert und genießt sein Leben wie nirgends sonst auf der Welt.
Ais eines Tages das Reisebüro, das seinerzeit die Bestellung nach Ostend aufgab, endlich feststellt, daß die dreizehn Koffer der Schauspielerin Ola Felden signiert „O. F.”, nach Ostend statt nach Ostende aufgegeben wurden, wird eine Sekretärin wegen eines vergessenen „e” fristlos entlassen.
Und wenn die großen Wirtschaftler noch nicht gestorben sind tagen sie sicher teufte noch bei der Xtausendsten Konferenz in Ostend Tagesordnung: Die Wirtschaftsordnung.
Kritik (Hans Feld, Film Kurier #283, 12/03/1931):
15 Koffer brechen in die Gehege einer Kleinstadt. Sie wandeln das Profil eines verträumten Orts.
Verändern, mit diesem Einbruch in die Bezirke des lustigen Spiels, Alexis Granowsky und der mit ihm zu gemeinsamem Tun verbundene Leo Lania das Gesicht der Filmproduktion –?
Mit nichten; der Trubel um O. F., den sie servieren, ist keinesfalls so anspruchsvoll wie seine Verfasser ansonst. Und die Laute des Salonlöwen sind ein behagliches Knurren.
Kurzum: Meine Damen, meine Herren / was Sie sehen, liegt nicht fern / wir kennen die Weise, wir kennen den Ton / der lieben, der alten, der Schwankproduktion.
(Es braucht natürlich nicht einer Ehrenrettung der deutschen Kleinstadt; deren staatsmäßige Züge Fallada von seinem Standpunkt aus, aber gültig, gezeichnet hat. Wir alle wissen, was wir ihr danken; architektonisch und psychisch; sogar, genau betrachtet, bevölkerungspolitisch als Verbindung zum nährenden Hinter-Land.
Es ist ja gar keine deutsche Kleinstadt, dieses Ostend. Ebenso wenig, wie Lippenstitf und Reizwäsche die Veredelung zur Großstadt ausmachen.)
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Die Stadt also, um die es geht, ist gar nicht Vorhanden; sie ist auch nicht überwirklich, sondern eben unwirklich. Schweine, die in den Straßen äsen, Bürger beim Skat – dazwischengeschnitten das Nachtstück eines träumenden Filmstars – das ist nicht ernster gemeint als etwa Schildas Schützenfest, Pleißenbachs wahrer Jakob. Und es ist auch kaum ironischer.
Wie so eine Stadt durch die Sensation einer Kofferladung ummontiert Wird –, ist das ein Filmstoff. lst das wirklich einer? Sofern die unerläßliche Kalkulation nach Metrage es zulaßt, neben den beiden Gesichtern des alten unveränderten Fleckens auch die innere Wandlung zu zeigen, gewiß.
Was andererseits zu filmen bliebe, wärs ein Dreiakter, dessen Ueberspitzung der Bildvorgänge keiner logischen Fundierung bedarf.
Granowsky-Lania treten daneben, indem sie den dritten Weg einer Zwischenlösung wiesen. Mit zwei Tricks sichern sie Beginn und Ende ihres Films ein freundliches Interesse: Dem Auftakt mit dem kreisenden Globus, dessen Kreißen das Filmmäuschen Ostend gebiert. Sodann, als Abblendung, ein paar Streichelschlüge auf die Unzulänglichkeit auch der Weltwirtschaftskonferenzen.
Was dazwischen liegt, in dieser tobis-eigenen Produktion, ist kein Monopol. Vielmehr gehört es zum Allgemeingut der deutschen Filmautoren seit der Erfindung von Bartwolle, Kurfürstendammruch und Kleinstadtidyll. Meine Herren, meine Damen / auch die Träger neuer Namen / stören nicht den alten Trott / im Bericht von Oskar Flott.
Die Fülle der Szenen und Auftritte, Episoden und Wandlungen zu vernieten, ist der Autoren schwerste Aufgabe. Sie ist, in der Subtilität der Uebergänge vorbildlich gelöst.
Im Schlußdrittel gibt es einen Vorstoß ins Ueberfilmische: Wenn nach dem unfaßbaren Aufblühen des bislang der gesamten Welt unbekannten Oertchens den Beteiligten selbst die Entstehung der Hausse vor lauter Prosperität aus dem Gedächtnis entschwindet. Das ist Versprechen für morgen, Einsatz zeitüberlegenen Witzes für Filmdinge.
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Es ist immer reizvoll, ein Aufgebot von Schauspielern zu sehen, aus jenem Kräftequell deutschen Künstlertums, dessen nicht zu erschöpfender Strom immer wieder mit Zukunttssicherheit erfüllt.
Mehr als 5 Dutzend Darsteller werben für diesen Film und darüber hinaus für eine Sparte der Filmschaffenden, deren Opfer am Werk nicht hoch genug gewertet werden kann.
Voran Alfred Abel, der aus einer Rolle einen Menschen formt. Ein liebenswürdiger Spießer, der auch nach der äußeren Verwandlung innerlich klein bleibt; solchermaßen unterbaut er die Figur mit Lebenswahrheit.
Freudiges Wiederbören mit Bernhard Götzke (gebt ihm größere Rollen!). Erfolgs- und spielsichere Episodisten: Franz Weber, Friedrich Ettel, Arthur Mainzer, Josefine Dora, Meinhardt Maur, Ralf Ostermann, Eduard Rothanser, Elsa Wagner, Hans Hermann Schaufuß, Franz Stein; Granowsky rief, und alle, alle taten ihr Bestes.
Frauen, optisch erfreulich – drücken wir ein Ohr zu – Hedy Kießler, Ilse Korseck.
Reizend, leider auf einen Satz beschränkt, Hertha von Walther; der allerdings ist gegeben zu sagen, wieviel sie kann.
Des Films stärkste Attraktion nächstdem sind die musikalischen Zutaten. Karol Rathaus hat den Witz, den Schmiß für Song, Chanson; sogar den Ansprüchen des Fachkönnens hält er stand. Und für die Ueberleitung der stummen Passagen findet er eigene Themen; das abgewandelte Motiv vom träumenden Ostend und die groteske Bau-Kakophonie.
Das metallische Organ Ernst Büschs trägt den vielversprechenden Auftakt Harald Paulsen entschädigt sich und uns mit dem liebenswürdigen Abgesang für die Liebhaberrolle.
Als besonderen Effekt gibt es ein Chanson der Margo Lion. Und das ist herrlich. Nonchalant legt sie es hin, und doch sehr bedacht darauf, wie es wirkt. Pointen, geschüttelt aus einem Handgelenk, das trainiert ist.
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Hervorzuheben – obwohl bei den Namen Granowsky, Lania, Conradi selbstverständlich – ist das Produktionsniveau, das den Film weit über Durchschnittliches erhebt.
Die auf ihn verwandte Summe an Arbeit und Wollen bleibt spürbar in jeder Szene. Sie sichert ihm zugleich das Interesse seines Publikums.
Kamera: Reimar Kuntze. Heinrich Balasch; Ton: Hans Grimm; Schnitt: Paul Falkenberg, Curt von Molo; Bauten: Erich Czerwonsky; Kostüme: Edward Suhr; musikalische Leitung: Kurt Schröder.
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Wer sich vorkommendenfalls ans Besinnliche der story halten will, dem sei es nicht verwehrt. Die andern, die ins Kino gehen, um sich unterhalten zu lassen, werden schon so auf ihre Kosten kommen. Und das wird allen Beteiligten nur recht sein.