Holzapfel Knows Everything

Originaltitel: Holzapfel weiß alles. (Der Goldonkel.) Kriminalgroteske 1932; 86 min.; Regie: Victor Janson; Darsteller: Felix Bressart, Gretl Theimer, Iván Petrovich, Tehodor Loos, Anton Pointner, Dieterle Henkels, Julius Falkenstein, John Mylong, Paul Morgan, Robert Nästelberger, Henry Bender, Eugen Burg; Elite-Tobis-Klangfilm.

Holzapfel, Straßenmusikant und Schlemihl, jagt Verbrechern ein Kind ab, läßt sich nachher von deren „Chef“ übertölpeln, rettet dann doch sein und seiner Schwester Vermögen.

Zusammenfassung
Auch Johannes Georg Holzapfel ist das Opfer der allgemeinen Arbeitslosigkeit geworden. Seit Monaten haust er in der Nähe der Großstadt, in einem ausrangierten Eisenbahnwagen. Seinen Unterhalt verdient er sich mehr schlecht als recht mit einer Zieharmonika. Auf den Höfen begleitet er sich selbst zu seinem „Schlager“:
„Meine Liebe blüht alle Jahr’ wieder neu!
Meine Liebe, die bleibt dir immerdar treu!
Meine Liebe, steht wie ein Felsen, so fest!
Meinste denn, denkste denn, daß ich dich
Laß’ im Stich?
Niemals nich’!
Glaub mir doch,
Raub mir doch
Nicht die Ruh –:
Denn meine Liebe bist du!“
Holzapfel betritt eine Kneipe in der Nähe des Bahnhofs, um die Vormittagseinnahme zu verfrühstücken. Wie es ja zur Eigenart dieses Johannes Holzapfel gehört, gerät er stets dahin, wohin er keineswegs gehört. Auch hier, in der Kneipe „Zur glücklichen Reise“, setzt er sich ahnungslos an den Stammtisch und wird durch ein ebenso ahnungslos hingeworfenes Wort, das als Parole aufgefaßt wird, von einer Verbrecherbande als „auswärtiges Mitglied“ bewillkommnet. Mit Schrecken und Staunen merkt Holzapfel, daß er gewissermaßen unter die Räuber gekommen ist. Er möchte sich gern von dem unangenehmen Abenteuer zurückziehen, aber ein besonderer Umstand veranlaßt ihn, vorläufig mitzumachen. Er hat vernommen, daß die Verbrecherbande ein junges Mädchen und einen kleinen Jungen, die aus Amerika kommen, von der Bahn abholen will, um sie auszuplündern.
Wenn es nötig wäre – auch mit Gewalt. Ehe sich Holzapfel versieht, sind die beiden Erwarteten in den Händen der Verbrecher. Eva, ein hübsches junges Mädel und der kleine Teddy. Man raubt dem Mädchen die Bankpapiere, die, zusammen mit einem Tresorschlüssel, zur Abhebung einer großen Geldsumme berechtigen. Den Schlüssel findet man nicht. Der kleine Teddy trägt ihn um den Hals. Und diesen kleinen Teddy hat Holzapfel, als er sah, daß es ernst wurde, gepackt – – und ist mit in Nacht und Nebel zu seinem Waggon gelaufen. Hier erlebt Holzapfel, der mit den Nöten des harten Lebens geprüfte Kerl, erstmalig das Wunder des Kindes . . . Zutraulich schmiegt sich der Kleine an seinen Retter. Holzapfel spielt mit ihm Eisenbahn, Holzapfel setzt Teddy aufs Töpfchen, Holzapfel singt dem Jungen ein Wiegenlied und erzählt ihm schließlich in seiner sonderbaren Art das Märchen „von einer ältlichen Großmama, die nächtlicherweise von einem gewissen Herrn Wolf im Bett überfallen wurde“ . . . – Am anderen Tage macht sich Holzapfel auf den Weg zum Konsul van Doeren, dem Onkel der Kinder, dessen Adresse sich der kleine Teddy eingeprägt hat. Zu seinem größten Erstaunen vernimmt er vom Konsul, daß Eva wohlbehalten in der Villa angelangt sei. Der Konsul hat sie gegen hohes Lösegeld aus den Händen der Bande befreit. Nun berichtet Holzapfel, daß er den Knaben bei sich habe und empfängt einen Hundertmarkschein als vorläufige Belohnung. In einem Freudenrausch torkelt Johannes Holzapfel davon. Noch nie in seinem Leben hat er hundert Mark auf einmal besessen. Er denkt nur an das Kind, das er in sein Herz geschlossen hat. Er kauft einen ganzen Berg von Spielsachen und einen Roller. Mitten im tollsten Verkehrsgewühl „rollert“ Holzapfel glückselig in der Richtung Güterbahnhof, wo sein Waggon zu finden ist . . . – Aber Holzapfels Freudenrausch verwandelt sich plötzlich in furchtbaren Schrecken: Der kleine Teddy ist verschwunden . . . Nur den Tresorschlüssel findet Holzapfel. Er steckt ihn ein und rast zum Konsul zurück, voller Angst um das Schicksal seines kleinen Freundes. Der Konsult hört sich Holzapfels konfuse Erzählung skeptisch an. Holzapfel zeigt den Schlüssel als Beweis vor – der Konsul nimmt ihn an sich und wirft Holzapfel hinaus. Beim Verlassen der Villa hört Holzapfel plötzlich aus der oberen Etage den ihm wohlbekannten Pfiff des Kleinen. Er will zurückstürzen, aber man hindert ihn daran. – Holzapfel hat Verdacht geschöpft. Dunkle Zusammenhänge müssen zwischen dieser feudalen Villa und jener obskuren Kneipe bestehen . . . Soviel steht fest für ihn. Unter allerlei Vorwänden versucht Holzapfel, sich Einlaß in die Villa zu verschaffen. Es gelingt ihm. Holzapfel sieht den kleinen Teddy, Holzapfel weiß, daß Eva und ihr kleiner Bruder in den Händen eines Verbrechers sind – – Holzapfel weiß alles! Jetzt gilt es das Vermögen der Kinder zu retten. – Der Konsul begibt sich mit Eva in das Kabarett „Goldene Spinne“, wo Stefan Beregi, ein amerikanischer Freund Eva’s, als Chansonnier auftritt. Der Konsul wird herausgerufen, einer seiner Banditen steht vor ihm und verlangt drohend den Tresorschlüssel. Die Bande wittert Verrat, man ist des „Chefs“ nicht mehr sicher. Der „Konsul“ will dem anderen den Schlüssel geben, aber wie ein Blitz wirft sich Holzapfel, der hier einen Zeitungsverkäufer gemimt hat, dazwischen, entreißt dem Konsul den Schlüssel und flieht. Eine tolle Jagd geht los. Der nichtsahnende Beregi streckt Holzapfel in der Theatergarderobe mit einem Kinnhaken nieder, nimmt ihm den Schlüssel weg und gibt ihn dem Konsul . . . – Mit wirrem Kopf erwacht Holzapfel aus seiner Besinnungslosigkeit. Da sieht er in der Theatergarderobe unter anderen Kostümen auch Polizeiuniformen. Mit Windeseile zieht er eine davon an, stülpt sich einen Tschako auf und läuft in die Villa. Da tritt ihm bereits die Kriminalpolizei mit der Nachricht entgegen, der falsche „Konsul“ sei verhaftet, die Kinder gerettet. Holzapfel atmet auf und bekommt Oberwasser. Er befiehlt den Kriminalbeamten, ihn zur Kneipe „Zur glücklichen Reise“ zu begleiten, wo eine Verbrecherbande auszuheben sei . . .
Armer Holzapfel! . . . Die Verbrecherbande in der Kneipe ist von Holzapfels Kommen verständigt. Man beschließt, sich zuerst einen Bombenjux mit dem „Herrn Wachtmeister“ zu machen. – Die Schutzmannsuniform verleiht Holzapfel eine ungeahnte Autorität. Stolzgeschwellten Busens betritt er den Verbrecherkeller und sieht nicht ohne Befriedigung die jämmerlich zerknirschten Gesichter der Banditen. – Holzapfel dirigiert die „Aktion“ unter Assistenz der beiden „Kriminalbeamten“. Aber plötzlich reibt er sich die Augen . . . Er sieht noch einmal hin, er kann es gar nicht glauben! Aber – es stimmt: die beiden „Kriminals“ haben lachend ihre Revolver fortgeworfen und sich unter die Verbrecher gemischt. Jetzt wird’s ernst! Entsetzt weicht Holzapfel an die Wand zurück, bedrängt von drohenden Gestalten. – In letzter Sekunde erscheint das richtige Ueberfallskommando; die Polizei hat den Keller umzingelt. Freudig begrüßt Holzapfel seine „Kollegen“. – Der „Konsul“ ist gewarnt worden. In dem Augenblick, als die Polizei in die Villa dringt, springt der „Konsul“ in sein vor dem Hinterausgang wartendes Auto, um zu fliehen. – Leider vergißt er es, sich seinen Chauffeur näher anzusehen. Dazu kommt er erst als nach wahnwitziger Fahrt die Limousine in den Hof des Polizeipräsidiums einfährt und – – Holzapfel, der den richtigen Chauffeur überlistet hat, den Schlag aufreißt und den „Herrn Konsul van Doeren“ der Obhut der Polizei übergibt . . . – Das Vermögen der Kinder ist gerettet. Glückselig hält Holzapfel den kleinen Teddy in den Armen und singt ihm, während Eva und Beregi sich umarmen, sein Lieblingslied . . .

Kritik (E. J., Film Kurier #031, 02/05/1932):
„Holzapfel“ (früher hieß er „Hirsekorn“ oder „Siebenkäs“ sicher jeanpaulinisch oder kleinjüdisch, – eines schrulligen Unterdrückten leicht anrüchiger Vatersname) – Holzapfel weiß tatsächlich alles.
Dabei machen es ihm die Filmautoren Ch. Roellinghoff, St. Mihaly und Heinz Goldberg nicht leicht, um die Ecken ihrer Manuskript-Konstruktionen zu gucken. Doch Holzapfel ist gleich im Bilde, als er, ohne sich viel um die Welt und die Weisheit zu sorgen, in einen Verbrecherkeller gerät, dort ein geraubtes Kind findet, das Kind rettet und seinen Schützling zum guten Onkel bringen will, der in Wirklichkeit ein böser Onkel ist, Chef der Verbrecherbande, obwohl er in einer hochfeinen Villa wohnt.
Holzapfel durchschaut dies alles. Denn Holzapfel ist Bressart und Bressart ist Holzapfel.
Das heißt: Man mußte eine Figur konstruieren, die nach außen jämmerlich dürftig, innen aber das gute goldene Herz hat und im Hirn ein bißchen Menschenschläue, die ausreicht, die Schein-Größen dieser Erde zu durchleuchten, zu entlarven.
Auch wenn man, wie Holzapfel, am Güterbahnhof wohnt, in einem alten, ausrangierten Eisenbahnwagen – und als Hofsänger durch Berlin zieht.
Mau merkt an dieser Nacherzählung schon: Der Filmstoff ist novellistisch empfunden und Bressart möchte sich zu einem soliden, volkstümlichen, armen Schlucker-Komiker-Typ finden, der die spontane Wirkung von Herz zu Herz ausübt.
Er hat’s schwer, der Felix. Er ist kein großer, lauter Komiker, er wirkt manchmal nur so.

Er hat seine persönlichsten Wirkungen, wenn er voll Verlegenheiten nuschelt, die deutsche Sprache sich zurecht legt wie einer, der mit dieser schwierigen Grammatik und Orthographie in die Höhe will. Der manches gelesen und vieles gehört hat, aus den Redewendungen der feinen Welt und der mit diesen kleinen erschnappten Wendungen sich zähe „nach oben“ rudert. Diese Bressartschen Rede-Monstren und Satz-Verwirrungen, die echter und menschlicher als Pallenbergs Witz-Pointen sein können, dürfen nie übertüftelt sein; wenn er sie und sich absichtslos gibt, gerät das Publikum stets in eine fast gerührte Heiterkeit.
Natürlich hat Bressart auch die billige Wirkung aller Grotesk-Komik zur Verfügung –: seine Beine beginnen zu stottern, er rutscht über Treppen aus, fliegt hin oder hüpft in die Luft wie Arno. Aber Arno hüpft noch höher und über welchen Hinfall wird nicht schallend gelacht, sobald Kartoffeln und Kohlstrünke über den Küchenfußboden rollen, wie in diesem Film?
Doch Bressart ist vielmehr Bressart, wenn er seinen Charakter darstellt und nicht komikert. Denn ein Charakter-Darsteller von Format könnte er sein, mit seinem Zwielicht-Humor, seiner gedrückten, verschüchterten Art. Ein reiner Charakter-Darsteller. Er ist auch diesmal nahe dran.

Der Film gibt ein Bressart-Potpourri. Der Filmbetrieb kann nicht anders –: Er schneidet einen Film für Bressart zu und denkt dabei zuviel an Bressart, zu wenig an den Film. Die kriminelle Verbrechergeschichte aus Berlins Unterwelt mit der Kindes-Entführung, der Jagd nach dein Tressorschlüssel ist ältester Harry Piel (der das heute viel motivierter und glaubhafter macht).
Von dem Regisseur Viktor Janson weiß man, das er turbulent, knallig, bunt inszeniert, seltener charakteristisch, leichtflüssig, ironisch, steigernd.
Es gibt daher einen echten, rechten Film-Toppkeller, mit einem vielköpfigen Gauner-Ensemble. Bekannte Schauspieler verbrechern sich drin aus: Julius Falkenstein als Jule, jeder drückt seinen beliebten Typ dabei durch: Morgan Mylong-Münz, Pointner, Henry Bender, Nästelberger und viele andere, die zu den Unterweltlern gehören. Janson weiß, was er (mit dem Architekten Jack Rotmil) einem Blick in Berliner Höfe, der Aufblendung einer modernen Villa, den Funkel-Netzen einer mondänen Bar, die „die goldene Spinne“ heißt, schuldig ist. Das Aeußerliche liegt Janson – Bressart-Situationen sind zu wenig dabei. Eine läuft – durch Zufall? – unter, ein köstliches Intermezzo: Bressart imitiert einen Zeitungsverkäufer, holt sich irgend woher alte Zeitungen, steht nachte vor der Bar und ruft aus. – Einer kauft wirklich, und siehe da, das Zeitungsblatt kündet „Deutschland wird eine Republik“. Datum November 1918. Der Käufer flieht mit Anzeichen panischen Entsetzens. Ein Nebenwitz, der zündet, ein Episödchen.
Viele Episödchen pflegen einen deutschen Lustspielerfolg zusammenzustellen. An der Hauptgestalt wird zu wenig modelliert und gebastelt, das Grundproblem zu wenig ernst genommen, wie es sollte, auch wenn es sich um eine Posse handelt.

Holzapfel – ein verspielter, unwichtiger Mensch, der gerade ob seiner Spiellust, seiner Unbedeutendheit wieder interessant wird. Wie primitiv so ein großes Kind unserer Zeit am Rande der Stadt wohnt und mit der Knarrtür an der Villa spielt, weil sie so wundervoll knarrt und zauberhaft sich öffnet. Ernste, tragische Welt, aufgelöst in Spielerei – Bressart könnte das schon, den unfreiwilligen Humor der Objekte, die sonst voll Tücke sind, darzustellen.
Die Autoren-Arbeit geht an dieser menschlichen Gestalt vorbei, sie findet Ansätze, doch baut sie nicht aus, bleibt unkonsequent und unscharf.
Bressarts Höhepunkt in diesem Film: Märchen-Erzähler, bei dem das gute Kind (Dieterle Henckels) einschläft. Das Märchen vom Rotkäppchen, frei nach Bressart und Roellinghoff.
Schließlich erscheint Holzapfel in Schupo-Uniform. Das Manuskript nutzt die Gelegenheit kaum: Der Schupo-Bressart müßte plötzlich als unfreiwilliger Verkehrs-Regulant Chaplin-Tricks auf seine Weise nutzen, in unerlaubter Uniform. Verfolgter und Verfolger zugleich, in der Großstadt Verwirrung und Frieden stiften. Es wäre eine lustigere Passage als mit dem Roller durch Berlin.
Wenn er den Verbrecherkeller auszuheben meint und die Gannoven ihn verspotten. überzeugt Jansons mäßige Schauspielerführung wenig. Von Theodor Loos abgesehen – Ivan Petrovitsch, nie im Leben ein erfolgreicher Kabarettsänger und Gretl Theimer, diesmal nur mit Deklamationsübungen beschäftigt.
Freundlicher Erfolg trotz allem.
Denn Elite-Tonfilm und Siegels erfahrener Beirat sorgen für Abrundung und Ausgestaltung der Bressart-Produktionen. Schon „Konto X“ erbrachte den Beweis. Musik, Kamera, Ton in bester Form. Gärtner und Mondi photographieren auf Glanz. Willy Rosen und H. J. Selter garantieren immer flüssige Melodien. So fehlt es im technischen an nichts.

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