Originaltitel: Der tolle Bomberg. (Ein toller Kerl.) Schwank 1932; 97 min.; Regie: Georgiĭ Azagarov. Darsteller: Hans Adalbert Schlettow, Liselotte Schaak, Paul Heidemann, Adele Sandrock, Hansi Arnstaedt, Lizzi Natzler, Vivian Gibson, Paul Henckels, Charles Puffy, Hans Wassmann, Georges Boulanger, Hugo Werner-Kahle, Ferdinand von Alten; Deuton-Tobis-Klangfilm.
Ein Majoratsherr rächt sich an seinen muckerischen Verwandten durch die tollsten Streiche, weshalb man ihn entmündigen will. Doch seine junge Frau hält zu ihm, erringt sich dadurch seine Neigung.
Zusammenfassung
Ein Original „von Kopf bis Fuß“, ein verwegener Draufgänger, der im wildesten Galopp über den Marktplatz seiner Heimatstadt reitet und mit mächtigem Schwung mitten durch die Fenster in des feine Restaurant Matin springt: das ist der tolle Baron Bomberg. Aber er ist nicht nur das, sondern noch viel mehr, nämlich ein sehr gütiger Mensch, der mitleiderfüllt den Aermsten hilft. – Weit über Münster hinaus hat Bomberg die Gegend unsicher und von sich reden gemacht. Er war in einer Person ein flotter, hübscher Kerl, ein Trinkgenie und ein Schelm. Kein Wunder, daß ihm die Herzen im Sturm zuflogen. Aber er war auch ein agressiver Feind jeglichen Spießer- und Muckertums und verfolgte die Heuchelei mit seinem Spott. Der Höchstgestellte war ihm gerade gut genug, ein Opfer seiner lustigen Einfälle zu werden, sobald er es verdient hatte. – Am wenigsten genau nahm es der tolle Bomberg mit dem Geld, das ihm die Glücksfee in Solchen Mengen in den Schoß geworfen hatte, daß er sich geradezu „plagen“ mußte, wenigstens die Zinsen durchzubringen. Daß das Kapital, das von dem Erlös der unter seinen Besitztümern befindlichen Zechen herrührte, nicht angegriffen wurde, dafür sorgten seine lieben Anverwandten, mit denen er Zeit seines Lebens auf Kriegsfuß stand. Ihre Ansicht ging dahin, daß alles Geld der Familie gehöre, er folglich ein sinnloser Verschwender sei. Ihre Bemühungen, ihn zu ihren Ansichten zu bekehren, scheiterten jedoch an seinem Charakter und Starrsinn. – Der hohe Familienrat schmiedet daher Kriegspläne. Die geizigste unter seinen Verwandten, Frau v. Gutelager, kommt auf die Idee, den Baron mit einer vernünftigen und von ihr leicht zu beeinflussenden Frau zu verheiraten. Fräulein Sophie von Gutelager, ein anscheinend weltfremdes und soeben von klösterlicher Erziehung heimgekehrtes Kind, ist die Erkorene. Niemand ahnt, daß gerade sie mit feinem Instinkt den Baron als einen gütigen Menschen erkannt hat und liebt. Im übrigen wird sie nach ihrer Zustimmung gar nicht erst gefragt. – Der Kampf um das Eheprojekt setzt in aller Schärfe ein. Die Verwandten kaufen ohne Bombergs Wissen zunächst seine Schulden auf, die ins Unermeßliche gehen. In seinem Schloß gibt es sogar ein Zimmer, daß von oben bis unten mit Zahlungsbefehlen austapeziert ist. – Inzwischen macht der ahnungslose Bomberg, der nicht weiß, wie man ihn beglücken will, die Stadt Münster weiter mit seinen Streichen unsicher und läßt sich auf offenem Marktplatz hoch oben auf dem Kutschbock seines Viergespanns rasieren. Irgend jemand hatte geäußert, der Adel sei zu hochmütig und steige nicht ins Volk herab. Hier zeigt er, wie das aussieht, wenn der Adel auf seiner „Höhe“ bleibt – Endlich entschließt er sich auf einmal wieder, mit seinem treuen Diener und Begleiter Dachs nach Hause zu reisen, wo ihn die Verwandtschaft längst erwartet. Bei seinem Erscheinen wird ihm in feierlicher Sitzung eröffnet, daß man seine Schulden bezahlt habe, inzwischen aber seines Treibens müde geworden sei und beabsichtige, unverzüglich sein Gut tu versteigern und seine Entmündigung zu beschließen, falls er sich nicht füge und in den Heiratsplan einwillige. Bomberg ist überrascht und lacht, ihm liegt weder an der Versteigerung noch an einer Ehe etwas. Doch begreift er den Ernst der Situation, als er hört, daß im Weigerungsfälle auf dem Schloß strengste Sparmaßnahmen durchgeführt werden sollen. So will man unverzüglich zur Entlassung aller Bomberg-Freunde schreiten. – Da springt er erregt hoch. Nie wird er zugeben, dar es seinen Freunden schlecht geht. Diesmal haben die Verwandten ihn bei seiner schwächsten Seite gepackt, nämlich bei seiner Gutmütigkeit. Zähneknirschend erklärt er sich bereit, zu heiraten. – Die Hochzeit findet statt. Vergeblich hofft Sophie auf ein freundliches Wort ihres jungen Gitten. Er ist zwar höflich, aber eisig kühl. Und beim Essen tot er plötzlich während der ersten Rede spurlos verschwunden. Statt seiner tritt sein Diener Dachs ein und meldet: „Der Herr Baron bittet die Herrschaften, sich auch ohne ihn zu amüsieren, da er in die Stadt gefahren ist.“ Der lustige Dachs, der die Tafel nun bedient, läßt heimlich eine Unmenge von Flohen los, und der Tag endet mit einem Skandal. – Bomberg feiert in dieser Nacht im Restaurant Matin auf seine Art mit seinen Freunden Hochzeit und zerschlägt vor Wut alles ihm erreichbare Geschirr. Die Rechnung, die Matin für den Schaden präsentiert, ist zu hoch, und Bomberg hat die Geldgier des Gastwirts durchschaut. Er schließt daher mit ihm eine Wette ab, daß er sich auch für tausend Mark von ihm nicht drei Eimer Wasser hintereinander über den Kopf gießen lassen könne. Matin stimmt freudig zu. Aber nach dem zweiten Eimer Wasser erklärt der Baron gelassen, die Wette könne erst in fünf Jahren durch Verabfolgung des dritten Eimers gültig werden. – So jagt im Film ein übermütiger Streich den anderen. Auch die Behörden, insbesondere die verhaßten Gerichtsvollzieher, werden nicht verschont. – Am stärksten leidet Sophie unter dieser unerquicklichen Lage, zumal sie inzwischen erkannt hat, daß sie nicht Seite an Seite mit ihren Verwandten den Baron erobern könne. Ihre innere Umwandlung gibt sie auch äußerlich dadurch zu erkennen, daß sie sich modernisiert und hübsch macht. Bomberg sieht diese Metamorphose mit erstaunten Augen und beginnt, sich für Sophie zu interessieren. Diese flirtet, um Bomberg eifersüchtig zu machen, mit einem Geigenvirtuosen. Aus Rache lädt Bomberg den Musikus zu sich ein und läßt den Künstler im Halbdunkel vor Holz und Pappe spielen. – Als die Verwandten bemerken, daß sie so dem Baron nicht beikommen können, berufen sie einen neuen Familienrat bei Mafia Zusammen. Bomberg hat das rechtzeitig erfahren und holt zum Gegenschlag aus: er kauft dem erstaunten Wirt das Hotel für eine hohe Summe ab. Die Verwandten werden einzeln, wie sie gerade kommen, der Reihe nach unter Vorhaltung der Kaufurkunde von stämmigen Hausdienern auf die Straße geworfen. Die empörte Verwandtschaft strengt nun entschlossen einen Entmündigungsprozeß gegen Bomberg an und schneller, als Sophie gedacht hat, kommt der entscheidende Tag. Bomberg muß vor Gericht erscheinen und alles wartet gespannt auf Sophies bedeutungsvolle Aussage. Zur grenzenlosen Ueberraschung der Anwesenden erklärt sie: Ich kann nur eines sagen, er ist der beste und liebste Mensch. den ich kenne! – Bomberg springt Über die Schrankes und reißt beglückt seine Frau, die ibn gerettet hat. In seine Arme. – Unter den Hochrufen seiner Freunde verläßt Bomberg mit seiner Frau das Gericht. Draußen hat eine vieltausendköpfige Menge gespannt auf den Ausgang des Prozesses gewartet, und als das Paar nun, umgeben von den Kürassieren, auf dem Platz erscheint, tönt ein tausendstimmiger Ruf „HOCH BOMBERG!” – die Musik setzt ein zum Bomberg-Marsch und unter den begeisterten Hochrufen des Volkes, das hier deutlich zeigt, wie es zu seinem Wohltäter hält und alle; seine Streiche versteht, fahren Bomberg und Sophie in ihrem, Viergespann, von der gesagten Bevölkerung und den Kürassieren begleitet, im Triumphzug davon.
Kritik (-ger., Film Kurier #075, 03/30/1932):
Es gibt zwei Aufgaben, die alle angehen, soweit Schaffensdrang in ihnen und Schaffensverpflichtung:
– das proletarische Lustspiel zu erfinden, das Arbeiter aller Länder verstehen,
– und das deutsche Lustspiel, das wir Deutsche als aus unserm Volksein geschöpft empfinden. Daran zu arbeiten, lohnt sich.
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Wir kennen viele Possen (und vergessen sie alle wieder), die den Deutschen als Vereinsmenschen glossieren, als Schützenbruder, Kegel- oder Gesangvereinspartner.
Deren Humor trocknet schneller als Wäsche im Wind. Es sind Gebrauchspossen, in denen Komiker und perückte, verkleidete Komparsenensembles sich vor die Kamera postieren. Atelierhumor für Kinobetriebszwecke.
Der echte Humor eines deutschen Films, wie er zu filmen wäre, kommt von der Straße, aus den Massen von gestern und heute, er verläuft weiter im wirklichen Leben, er kann kein Ende haben. (Wieviel bleibender, weiterlaufender Witzsinn in Hauptmanns „Biberpelz“, um ein Beispiel zu nennen.)
Der „Humor“ auch der besten Filmstücke ist bisher meist zu „literarisch“ (im schlechten Sinne) und viel zu theatermäßig. Rekonstruierte Hoftheatererfolge.
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Der „Tolle Bomberg“-Film wurde gewiß kein Meisterwerk. Aber er bedeutet an sich einen Griff nach einem volkstümlichen deutschen Stoff. Einen Verzicht auf das Hoftheatervorbild.
Josef Winckler bewies ja in seinem Volksbuch „Der tolle Bomberg“, daß aus der Legenden-Gestalt des tollen Barons ein modernerer Zunftgenosse des Eulenspiegel, vielleicht auch des Münchhausen, geworden ist.
Hier lag eine der wichtigen Lustspiel-Möglichkeiten vor. Ein Charakterbild zu geben, mit lustigen Tatsachen und allerlei Hintergründen.
Der Münsterlander Held des 19. Jahrhunderts könnte fürs Kino heute der idealisierte Draufgänger sein, der Rebeller aus Frei-Herrn-Geschlecht, gegen Zopf, Muckertum, Adelsspießer, Hoffahrt, Geiz, Verknöcherung, Dünkel. Einer, der entmündigt werden soll und vor dessen Mund und Tat das Gericht zittert, weil die Perücke der Justiz vor seinem Lachen wackelt.
Der Stoff hatte Chancen.
Nicht eine wurde voll genutzt. Ein paar Schnarren, grober und auch feinerer Form sind verfilmt, die, wie üblich, von den Darstellern kaum wirksam gemacht werden.
Ein schöner heiterer Stoff wird zu konventionell behandelt. (Auf deutsch: umgebracht.)
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Reden wir darüber, was im Film zu sehen, was guten Eindruck macht –: ein paar Spaßepisoden, in deren allzu loser Aneinanderreihung – Regie: Georg Asagaroff und Autor: Curt I. Braun – wetteifern. Muster zerfließender Un-Dramaturgie.
Eine Hochzeitsgesellschaft kriegt das Flohjucken, weil der „Tolle“ Flöhe in Mengen unter seiner Verwandtschaft liebevoll verteilen ließ.
Um Anstoß zu vermeiden, werden die „nackten“ Figuren seines Schlosses in Kostüm gesteckt.
Um einen eitlen Virtuosen zu foppen, arrangiert Bomberg, daß dieser wutgepeinigt mit äußerster Aufbietung aller Kräfte – vor einem Auditorium von Wachspuppen und Pappmenschen spielen muß.
Diese Szenen wird man allgemein mit besonderen Lobesworten versehen. Mit Recht. Sie zeigen die Niveau-Richtung, wo das deutsche Lustspiel heimisch wäre. Weil sie eine bleibende, echte Eugenspiegelei.
Sie werden auch in bester Gebelaune von Georg Boulanger und einem wohlklingenden Orchester dargeboten. Doch diese lustig gesteigerte Episode steht isoliert. Der Rest herbe Späße der Komikerinnen. Die Sandrock donnert einher, weil man ihr einen Bienenkorb ins Bett stellte – und viel Geschirr wird zertöppert. Die Possenlinie liegt zu nah.
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Asagaroffs Inszenierung sammelt mehr Nieten als Nüancen. Weder zum Westfalenland, noch zum „Baron“ hat er Beziehung. (Nicht seine Schuld, es liegt ihm nicht, man weiß, was er kann.) Russische Offiziere in Kasino-Suffstimmung, ein kleiner zaristischer Despot oder ein behexter kommunistelnder Reicher, wie ihn die russische Vorkriegs-Literatur liebt – – daraus wird kein toller Bomberg. Auch H. A. von Schlettow trifft den Charakter nicht. Als Zuckmayr-Bursch voll Blut und Weinduft ist er uns lieber. Er schlägt nicht durch, er füllt keine Legenden-Figur. Der liebenswürdige Schlettow steht neben dem Bomberg, man wartet immer, ob der nicht einmal wirklich durch die Tür kommt. Doch der liegt im Schelmen-Grab.
Desto mehr strotzt Wirklichkeitssaft: Paul Henckels. Als der klassische Professor Landois, den nie ein Sterblicher ohne Pfeife sah. Rheinland, wie es aus einem Menschen schmunzelt und lacht. Gut auch Heidemann als der Diener Dachs.
Man lächelt über Huszar-Puffy, Lizzi Natzler, Hansi Arnstädt, hört Liselott Schaak wieder einmal tapfer deklamieren und wird von ein paar Worten Waßmanns erschreckt dar Mitten im Klamauk . . . von der Blindheit spricht. Worauf der Partner einen Benediktiner einschenkt.
Sparsam verwandte Musik biegt ganz in die Schau-Operette ein, die Kürassieruniformen führen auch P. J. Haslinde zum Liebesparade-Vorbild. Sein Marsch wird gut gebracht (Leitung Hans Erdmann). Die gedehnte musikalische Einleitung merkwürdig klangschwach. Die Gesamttechnik fällt nicht ab.
Bild: Carl Drews, der auch dann die Kamera interessant machen möchte, wenn nichts Interessanteres als Komikermasken da sind. Bauten: Sohnle und Erdmann, in der Beschränkung diesmal keine Meister. Ton: Kroschke.
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Ein Stoff aus guten Quellen. Einmal nicht „Berlin“ nnd doch keine deutsche Lustspiel-Erfüllung.
Das Publikum hielt sich an das Gesehene (und nicht an das Uebersehene) und holte die Schauspieler vor den Vorhang.