Originaltitel: Der Walzerkönig. (Der Himmel voller Geigen.) Liebeskomödie 1930; 90 min.; Regie: Manfred Noa; Darsteller: Claire Rommer, Hans Stüwe, Fred Louis Lerch, Ida Wüst, Victor Janson, Ita Rina, Henri Baudin; Merkur-Lignose-Breusing.
Johann Strauß lernt die ehemalige Schauspielerin Treffz, der sein Bruder Josef Musikstunden gibt und in die dieser sterblich verliebt, als die Tochter seiner Büglerin kennen, fängt ebenfalls Feuer, glaubt sich aber von ihr später betrogen und nimmt einen Antrag nach Rußland an. Als Johann Strauß aber später erfährt, daß sie ihn doch liebt, kehrt er während der Revolutionstage 1848 zu ihr zurück, indes sein Bruder sich mit einer russischen Fürstentochter tröstet.
Zusammenfassung
Es ist in Wien . . . Mitte des vorigen Jahrhunderts . . . als es in dieser Stadt nur einen einzigen wahren Herrscher gab, Johann Strauß, dessen Melodien im Siegeszug durch die Welt gehen. Alles singt, spielt und tanzt nur noch Strauß-Walzer . . . – Eines Tages lernt Johann Strauß im Plättladen seiner Wäscherin ein junges Mädel kennen, das ihm außerordentlich gefällt. Sie heißt Jettchen Challupetzki . . . und Strauß beginnt mit ihr eine kleine Liebelei . . . ahnungslos, das dieses Mädel unter dem Künstlernamen Jetty Treffz eine der bekanntesten Sängerinnen von Wien und die Geliebte des finanzgewaltigen Barons Todesco ist. – Von dieser „Jetty Treffz“ hört Johann sehr oft durch seinen längeren und schüchternen Bruder Josef, der in seinem Orchester mitspielt und nebenbei noch Musikunterricht gibt . . . unter anderem auch dieser Jetty Treffz, in die Josef bis über beide Ohren verliebt ist, – ganz hoffnungslos natürlich. Johann hört sich die Schwärmereien des Bruders wohlwollend an, ahnungslos, daß es sich um dieselbe Frau handelt, die ihm selber so gut gefallen hat . . . – In dieser Zeit gibt der Wiener Männergesangverein „Harmonie“ dem Strauß mehrere Walzer gewidmet hat sein alljährliches Maskenfest, bei dem Strauß mit seinem Orchester spielt. Josef ist auf diesen Abend überaus gespannt, denn Jetty Treffz hat ihm auf seine Bitten hin versprochen, daß sie auch kommen werde, – und zwar im Kostüm einer Schäferin. – Es ist für Jetty Treffz an diesem Abend gar nicht so einfach, von Hause fortzukommen, denn Baron Todesco hat illustre Gäste aus dem Auslande: einen russischen Großfürsten und seine Tochter, die junge Prinzessin Natascha. Der Großfürst hat in Petersburg die erste Eisenbahn gebaut, die von der Hauptstadt nach Zarskoje Selo führt, aber leider rentiert sich das Objekt nicht: kein Mensch fährt mit dieser Bahn ! Der Großfürst ist deshalb bei Todesco, weil er von ihm eine Finanzierung erhofft. Nach den langweiligen Konferenzen des Abends geht man endlich auseinander, geht schlafen . . . aber kaum ist das Haus in Dunkel gehüllt, da fauchen zwei Gestalten auf, die heimlich auf Abenteuer ausgehen ! Jetty und die zu allen Streichen aufgelegte Prinzessin Natascha, die den Maskenball besuchen wollen, und kurz darauf verlassen zwei andere Gestalten ebenso unauffällig das Haus: Todesco und der Großfürst, die sich ebenfalls heimlich amüsieren wollen. – Es tut sich allerhand auf diesem Maskenball: – Josef erwartet mit Ungeduld Jetty Treffz, aber er erkennt sie nicht unter den Masken . . . Natascha macht sich einen Scherz daraus, sich für Jetty auszugeben und unter dem Schutz der Maske dem armen Josef ihre Liebe zu gestehen. Johann, der sich gelegentlich von dem Orchester freimacht, um selbst zu tanzen, sieht sein Wäschermädel wieder. Am lebhaftesten aber feiert der Großfürst, der bald angetrunken ist, diesen Maskenball, indem er sämtliche Gläser und Spiegel zertrümmert; Todesco, der alles gegen seinen Willen mitmachen muß, erkennt plötzlich in der Maske, die den ganzen Abend über nur mit Johann Strauß zusammenhängt, seine Jetty, die er zu Hause schlafend glaubte – aber ehe er sie zu Rede stellen kann ist sie verschwunden. – Es sei über diesen Maskenball nur soviel gesagt, daß der Großfürst schließlich im Morgengrauen mit einem süßen Mädel, das er auf dem Ball kennen gelernt hat, ganz heimlich und auf Zehenspitzen in seine Wohnung zurückkommt, daß er ihr dort endlich die Maske abnehmen kann . . . und vor sich seine Tochter sieht, die ihm herzlich gute Nacht wünscht. – Inzwischen haben Todesco und Jetty eine ziemlich scharfe Auseinandersetzung. – Zum ersten Male spürt Todesco, daß ein anderer Mann in Jettys Leben getreten ist, der ihm gefährlich werden kann. – Und während Strauß mit seinem Jettchen Ausflüge in den Wiener Wald macht, während er für sie komponiert, ihr Liebeslieder auf den Fächer schreibt, lädt Baron Todesco die Kapelle Strauß ein, bei einer Privatsoirée in seinem Hause zu spielen. Johann sagt zu – und Josef Ist begeistert; Jetzt wird der Bruder endlich Jetty Treffz kennen lernen, von der er selbst so schwärmt ! – Der Abend kommt . . . Strauß spielt . . . und erkennt in der Freundin des Hausherrn – sein Wäschermädel – sein Jettchen. Strauß spielt an diesem Abend fanatischer denn je. Nach allem, was er von seinem Bruder gehört hat, nach allem, was er selbst erlebt hat, hält er Jetty für eine herzlose Kokotte. -Der Großfürst ist von Johanns Musik begeistert. Er will ihn nach Rußland engagieren. Strauß in seiner Enttäuschung über Jetty, sagt sofort zu. Zu spät versucht ihn jetty zurückzuhalten. Sie kommt nicht mehr dazu, ihn zu sprechen, – und ein Brief, den sie an ihn schreibt, wird von Todesco unterschlagen. – So ist Strauß, der mit seiner ganzen Seele an Wien hängt, in Zarskoje Selo, und die Züge von Petersburg sind täglich überfüllt von Leuten, die ihn hören wollen. Die Spekulation des Großfürsten hat sich als richtig erwiesen. -Zu spät erkennt Jetty Treffz, daß Strauß nur durch einen Irrtum von ihr gegangen ist. Sie sucht seinen Bruder Josef auf und bittet ihn um Vermittlung. -Johann versucht. Jetty mit allen Mitteln zu vergessen, selbst ein Flirt mit der Prinzessin Natascha ist ihm dazu recht. Da taucht kurz vor Beginn seines größten Konzertes plötzlich sein Bruder Josef in Zarskoje Selo auf und bringt ihm Jettys Botschaft. Und nun ist Strauß nicht mehr zu halten. Auf der Stelle verläßt er Rußland (– sein Bruder Josef muß, um eine Katastrophe zu verhindern, an seiner Stelle dort bleiben) Strauß eilt nach Wien, zu Jetty . . . – Unter wegs hört er schon bedrohliche Nachrichten. In Wien ist die 48er Revolution im Gange, die sich auch gegen den Finanzgewalthen Todesco richtet. Johann Strauß trifft in einer kochenden Stadt ein. Sein erster Gedanke ist Jetty – – er erreicht ihr Haus, als Todesco schon alles zur Flucht vorbereitet hat. Die Aufständischen stürmen das Schloß, die Marsellaise klingt über Wien, – selbst Strauß ist in Lebensgefahr, da man ihn nicht erkennt. Als er seinen Namen nennt, glaubt man es ihm nicht, man drückt ihm eine Gage in die Hand, damit er seine Behauptung beweise . . . und Johann Strauß beweist, daß er der Walzerkönig ist ! Er spielt die Marsellaise. und unmerklich geht er in seine Walzer über, in die „Schöne blaue Donau“ und aus dem Revolutionslied wird ein Drei-Viertel-Takt . . . mitten in der Wiener Revolution spielt Strauß Walzer, die Leute singen, spielen, tanzen mit . . . Und am nächsten Morgen hat man in Wien vergessen, daß man eigentlich Revolution machen wollte. Alles ist im Walzer untergegangen. Todesco ist entflohen, – – Strauß hat Wien besiegt – Strauß hat seine Jetty wieder . . . und Wien bleibt weiterhin die Stadt des Walzers.
Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #110, 05/09/1930):
Deutscher Tonfilm, Sprechdialoge überwiegend.
Dieser Film dokumentiert wie kaum ein zweiter den Uebergang vom stummen zum tönenden Bild. Er wurde „stumm“ angelegt und dann, veranlasst durch die großen Tonfilmerfolge, auf tönend umgeschaltet. Dieses Umstellen ist bestimmt keine leichte Sache gewesen, das Problem ist aber mit Geschick gelöst worden.
So findet man dann Dialoge und Titel in einträchtigem Nebeneinander. Und seltsam, wir, die wir jahrzehntelang es als selbstverständlich empfanden, daß die Schauspieler des Films Mundbewegungen machen und daß ihre Gesten durch geschriebene Titel ausgedrückt werden, vermissen mit einem Mal das Wort, wenn der Mund sich bewegt. Ein halbes Jahr erst sehen wir Tonfilme, und schon haben wir ein Gefühl der Befremdung, wenn in Szenen, die die Sprache erfordern, nicht gesprochen wird.
Curt I. Braun und B. E. Lüthge haben ein Manuskript um Johann Strauß und seine Liebe zu Jetty Treffz geschrieben. Ein Manuskript im Operettenstil, mit traurigem Finale des zweiten Aktes und einem befriedigenden Ende mit zwei Liebespaaren. Für eine Tonfilmoperette ist die Handlung gut zu gebrauchen. Manfred Noa kann einen wirklich lustigen Maskenball des Männergesangvereins Harmonie inszenieren, kann einen lärmliebenden Russengeneral Gläser serienweise hinwerfen lassen, kann uns im Atelier ein romantisches, schneebedecktes Rußland zeigen, das dem großen Wiener zujubelt.
Zum Schluß geht man an ein heikles Thema: Die Wiener Revolte von 1848 wird die Handlung einbezogen. Indem nämlich Straußens Geige, die wild mit Bajonetten und Gewehren fuchtelnden Wiener in Minutenfrist in harmlose Walzertänzer verwandelt. Eine solche Episode mag je der landläufigen Auffassung über revolutionierende Wiener entsprechen. Aber vorher gab es ein Feuergefecht, und man sah Menschen sterben. Um Massensterben gehört nun einmal nicht in einen Operettenfilm. Nichts gegen Revolutionsparodie – aber in einem solchen Rahmen bitte ohne Blut !
Den unzweifelhaft eintretenden Erfolg des Films wird aber die Besetzung entscheiden. Hans Stüwe gibt seinem Johann Strauß wirkliches Format, man glaubt diesem schönen eleganten Mann, daß er komponieren kann und seine Zuhörer entzückt.
Claire Rommer hat endlich einmal eine Rolle, in der sie ihren Charme entwickeln kann. Sie schaut reizend aus, als Wäschermädel und als grande dame. Und sie holt sich in ihren Gesangszenen starken Applaus. Ihr Tonfilm-Debüt berechtigt also zu den günstigsten Erwartungen.
Fred Louis Lerch spielt den leicht verliebten Bruder des großen Johann, der zum Schluß statt der angebeteten Jetty die niedliche Ita Rina bekommt.
Henri Baudin bewahrt Kavaliershaltung, als ihm der „Musikus“ die Geliebte ausspannt. Ida Wüst haftet durch ein paar Meter verschmitzten Lächelns. Viktor Janson übertreibt etwas reichlich seine komische Rolle.
Manfred Noa liefert in Details Beachtliches, daß dem Film die große Linie, der feste Zusammenhalt fehlt, daran sind wohl die schwierigen Produktionsbedingungen schuld. Und auch die Autoren hätten wohl ein von Anfang an für einen Tonfilm bestimmtes Manuskript anders angelegt.
Willy Goldberger photographierte sehr effektvoll. Max Heilbronners Bauten riechen in den Straßenszenen etwas sehr nach Atelier.
Die gutgelöste musikalische Aufgabe teilten sich Eduard Künnecke als Bearbeiter und Komponist, und Artur Guttmann als Dirigent. Nicht zu vergessen die klangschöne Zigeunerkapelle Jean Golescu.
Der Beifall war sehr stark.