The Linden Tree Landlady

Originaltitel: Die Lindenwirtin. (Annemarie.) Singspiel 1930; 96 min.; Regie: Georg Jacoby; Darsteller: Käthe Dorsch, Hans Heinz Bollmann, Fritz Schulz, Paul Henckels, Maria Elsner, Ida Wüst, Oscar Sabo, Karl Platen, Oskar Sima; Felsom-Tobis-Film.

Die Besitzerin eines viel von Studenten besuchten Gasthofes verliebt sich in einen Privatdozenten, den man aber mit der Nichte der Frau Dekanin verheiraten will, welche wieder den Bruder der Wirtin liebt. Aus der Eifersucht der letzteren, der üblen Nachrede der Brautmutter und -tante und den Streichen des jungen Mädchens ergeben sich Verwicklungen, bis sich die richtigen Paare finden.

Zusammenfassung
Schon seit einigen Wochen weilt der junge Wiener Privatdozent Dr. Hans Trieborn in Bonn. Nicht immer ist es allein die alma mater, die neuer wissenschaftlicher Köpfe bedarf – auch die akademischen „Mütter“ der Universitätsstadt sind stark an den frisch importierten jungen Gelehrten interessiert, namentlich wenn sie über so chevalereskes und anziehendes Wesen verfügen wie eben der besagte Wiener Neuankömmling, Dr. Hans Trieborn.
Er ist das Gesprächsthema. Ihn für ihre Tochter zu angeln, ist die Sehnsucht jeder Professorengattin. Kurz, um Trieborn entsteht ein „Geriß“. Das meiste Anrecht auf den jungen Dozenten glaubt die Dekanin, Frau Professor Dingeldey, zu haben. Wenn auch nicht für ihre Tochter – denn sie besitzt keine –, aber für ihre hübsche Nichte Tilly, die in ihrem Hause lebt und ebenfalls in Bonn studiert. Die Dekanin glaubt dies um so mehr, als ihr Trieborn zufällig vis-à-vis wohnt. Die Schwäche auf sich zu laden, diesen Wink des Schicksals nicht völlig für sich auszunutzen, wäre eine Blamage, die sie nicht überwinden würde. Sie hat die Rechnung ohne – Trieborn und Tilly gemacht. Auf einem gemeinsamen Spaziergange verhehlen sich die beiden ihre Gefühle nicht. Tilly ist bereits in einen anderen verliebt, und Trieborn hat sich bisher mit der Liebe, dieser höchst überflüssigen Angelegenheit, noch nicht beschäftigt. Doch gar zu bald zappelt auch er im Netz. Ein gemeinsamer Spaziergang hat die beiden jungen Leute in das nahegelegene Godesberg geführt; er wurde von Tilly absichtlich arrangiert, um mit dem jungen stud. jur. Heinz Babinger zusammenzukommen. Heinz ist der Bruder Annemarie Babingers, der bekannten Lindenwirtin. Was Annemarie für die Studenten, für ganz Bonn bedeutet, ist sprichwörtlich geworden:
„Du blonde Lindenwirtin vom Rhein,
Du lachst so hell wie der Lenzsonnenschein.“
Jeder kennt sie, jeder liebt sie, jeder verehrt sie, nur einer ist bis jetzt stumm an diesem „blonden Begriff“ vorbeigegangen, nur seiner Wissenschaft lebend, das war der junge Wiener Privatdozent Dr. Hans Trieborn. Und heut ist er gezwungen, um Durst und Hunger zu stillen, zum erstenmal die Lindenwirtschaft zu betreten. Nie hat er ein charmanteres Wesen im Leben kennengelernt, nie hat ihn ein weiblicher Zauber so gepackt, wie der, der von Annemarie Babinger, der Lindenwirtin, ausströmt. Eine reizende Verwechslungskomödie beginnt. Trieborn, dem das Geld abhanden gekommen ist, und der nicht fähig ist, seine Zeche zu bezahlen, wird von Annemarie für einen Studenten gehalten und muß, wie das bei ihr „Hausgesetz“ ist, das sie den pumpenden Studenten gegenüber nur zu oft anwendet, seine Zeche „abarbeiten“. Zu gibt es in der Lindenwirtschaft genug. Nur zu gern willigt Trieborn ein, ohne sich zu erkennen zu geben. Voller Verliebtheit hat er sich entfernt, und als Tags darauf Annemarie wieder mit ihm zusammenkommt, da fühlt auch sie, daß diese Verliebtheit nicht einseitig geblieben ist.
„Mein Herz hat leise Dein Herz gegrüßt,
Nur Du, Du fühlst es nicht,
Mein Herz hat leise Dein Herz geküßt,
Nur Du, Du fühlst es nicht!
Und merkst Du auch wirklich noch nichts davon,
So gibt’s doch kein Zurück,
Denn uns’re Herzen, sie tanzen ja schon,
Den ewigen Walzer vom Glück!“
Nur zu bald ist diese Liebe eines „Dozenten“ mit einer „Gastwirtin“ publik geworden. Sie ist das Tagesgespräch Bonns. Entsetzen, Entrüstung an allen Ecken, an allen Kathedern, an jedem häuslichen Herd. Und als die Dekanin, Frau Professor Dingeldey, gar die Eltern Tillys kommen läßt, um deren Verlobung im letzten Augenblick doch noch zu ermöglichen, ist der Eklat da. Auf einem Universitätsball, den Trieborn ganz sans gêne mit Annemarie besucht, geniert man sich nicht, Annemarie mit allen Spitzen und Nadelstichen herauszufordern. Trieborn tritt mit prachtvoller Männlichkeit für sie ein, und führt sie vom Ball, die Professorengattinnen wutschnaubend zurücklassend. Man brütet Rache. Seine bevorstehende Professur wird man ihm schon versalzen. Der Rektor wird ein Machtwort sprechen. Und der Rektor sprach ein Machtwort. Aber nicht wie es sich die Professorengattinnen gedacht haben, – im Gegenteil – er empfängt Annemarie – er. kein zopfiger, veralteter Philister, sondern ein moderner Mensch von Fleisch und Blut – befürwortet selbst die Heirat Annemaries mit Trieborn. Er ist glücklich, gerade dessen Professur befürworten zu können, für welche er keinen anderen wie Trieborn geeignet hält. Trieborn, schon im Begriff, Amt, Stellung und Würde zu opfern, wenn seine Heirat mit Annemarie Anstoß erregen sollte, ja sogar bereit, sich als Wirt hinter den Schanktisch zu stellen, braucht nun doch nicht den Katheder mit der Wirtsschürze zu vertauschen. Er kann seine glücksstrahlende Annemarie an sich ziehen, welche – – – – die Lindenwirtschaft ihrem durch verschiedene Examina gerasselten Bruder Heinz übergibt; womit nicht nur Tilly, sondern auch deren Vater, der prächtige Berliner Möbelfabrikant Brömmel, durchaus einverstanden ist.

Kritik (E. J., Film Kurier #215, 09/11/1930):
Beifall in allen Stärkegraden während des Spiels – viele Vorhänge zum Schluß, belohnte Arbeit für Fellner und Somlo also.
Sie bieten ein Singspiel mit Operettentradition. In einer Märchenhandlung mit der schmucken Gastwirtin, die den Professor heiratet, gehen die Menschlein einher und singen wie die Paradiesvöglein, lustig und munter – – ganz ohne Rücksicht auf die kritischen Wauwaus zu nehmen. Und es geht. Erlaubt ist, was gefällt.
Man wird dem Film nie verbieten können, was der Bühne selbstverständlich ist: Daß der Gesang sich in die harmlosen Spielereien solcher ersonnenen Geschichten einmischt, daß Lieder klingen, die so angenehme Dinge preisen wie den Wein und die Liebe . . . es muß ja nicht immer die Dirne sein.
Es ist also ein Film, ein großer Singfilm für das breiteste Familienpublikum geworden. (Halt, noch ein Wort an manchen Kritiker, den es angeht.) Es waren doch künstlerisch gesegnetere Zeitalter, in denen man bei der Musik nicht nach ihrem Sinn oder ihrer Philosophie fragte. Man sollte es nicht für ein aesthetisches Verdienst halten, von der Bühne oder von der Leinwand die Gestalten abzuberufen, die plötzlichen holden Schnabel aufmachen, um zu singen.
Es gehört mehr Courage dazu, daß im Kohlenkeller des Schautheaters ein Arbeitsloser aus seiner dramatischen Situation heraus mit einemmal ein Arioso anstimmt, als wenn man ihn realistisch seufzen läßt – – es spricht sogar für die höhere Auffassungsgabe eines Publikums, wenn es die phantasievollere Form der musikverwertenden.
Auch hier überwiegt das Musikalische vor dem Filmischen. Unter den Tonmitarbeitern gebührt dabei dem Komponisten Michael Krausz der erste Platz.
Seit dem „Dreivierteltakt“ hat man keine so ohrenfällige Lieder gehört – die Massen der Singspiel- und Operettenfreunde werden entzückt sein und darum dem Film den großen Zulauf bringen. Da werden wir bald jede Piece von Krausz gepfiffen, gejodelt, gebrummt und gesungen hören. „Mein Herz hat leise dein Herz gegrüßt“ – der Wiener Walzer in der Linie der großen Tradition. Der ansprechende Marsch auf die „blonde Lindenwirtin vom Rhein“ und alle die anderen.
Um es vorwegzunehmen: Das Singen im Spiel, die Wiedergabe dieser Lieder durch das Ensemble ist glänzend gelungen. Man hat drei Bühnengrößen dazu verpflichtet: die Dorsch, den Tenor Bollmann und Leo Schützendorf, der sein bemoostes Haupt zu studentischer Jugendfülle rückverwandelt. Das Trio ist die Zierde jeder Operettenbühne. der Film bringt dieses Gastspiel nun in die größte und in die kleinste Tonfilm-Spielstätte, gewiß ein Ereignis!
Hat Käthe Dorsch sonst eine Aufgabe außer der, die hübschen Lieder in ihrer ehrlichen, frischen und innerlich amüsierten Art wiederzugeben?
Siegfried Philippi, der Autor, hat ihr die Rolle der Lindenwirtin geschrieben. Sie führt ihr großes Volksetablissement am Rhein mit Schmiß und viel Humor und die Dorsch kann dabei wenigstens das Jungmütterliche, das Fraulichbesorgte, das Drolligernste, das ihr so gut steht, zum Ausdruck bringen.
Als fidele Regentin vom Rhein hat sie in ihren Gasthaus- und Küchenszenen viele sehr geglückte Auftritte.
Ihr Partner, Privatdozent und Tenor, Hans-Heinz Bollmann, kommt nicht so nahe wie Tauber ans Mikrophongeheimnis, doch gegen den Tonmeister Hans Grimm setzt er sich doch im wesentlichen durch. Schützendorf spendiert ein paar solide Basstöne.
Die Heiterkeitsstürme, die in diesem Film immer mal aufwirbeln, gehen vom Filmensemble aus, das die dankbarsten Szenen hat. Da gibt es eine parodistische Rheinfahrt, in der der köstliche Oskar Sabo als „Möbel engros“ aus Berlin auftaucht – mit seiner empfindsamen Gattin Ida Wüst und dem Töchterlein – Marie Elsner –, das sie am Rhein unter die Haube bringen wollen. Namentlich mit Sabo gibt man dem Film die Possennote, die drastischen Situationen, in denen jeder Satz eine Pointe ist. Auffallend, wie schlagfertig geführt die Dialoge namentlich in den heiteren Szenen sind. Wer zeichnet dafür verantwortlich?
Neben Sabo, dessen Berliner Witz bei der Flucht übers Plättbrett und den Küchenszenen die ganze Rheinsentimentalität (übrigens geschmackvoll und dezent serviert) auffrißt, sind Ida Wüst, Paul Henkels, Ida Perry als die feinen Leute am Rhein, ferner Eugen Rex als rheinischer Pedell und die sächsische Einlage das Ehepaar Hermann Schaufuß und Frigga Braut willkommene Erfolgshelfer. Frau Wirtin hat auch einen Bruder, den spricht und singt Fritz Schulz und jeder freut sich drüber.
Die technische Mitarbeiterschaft: Regie Georg Jacoby, unauffällig, ateliersicher – – mit der ruhigen sachlichen Kamera Otto Kantureks und Heinrich Balaschs, sowie den Bauten Max Heilbronners, die glücklicherweise jeden Atelieranklang vermeiden. Produktionsleitung: Leo Meyer. Insgesamt: Eine auch tonlich (Tobis) ansprechende Produktion.
Der Theaterbesitzer, der seinem Familien-Publikum einen Abend bieten will, der dem Publikum als vollwertig gilt, angenehme Stimmung bringt, problemlos, lustig, singfreudig – – wird diesen Film bevorzugt terminieren.
Es lockt ein wenig, jeden Schaumann zu verführen, Girlanden um die Leinwand zu winden, Lorbeerbäumchen in Holzkübeln an die Rampe zu tragen und ein bißchen Betrieb mit Fähnchen, Lampions und Rummelmusik ins Haus zu bringen. Sitzt man nicht im Gartenkino – am Rhein?

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