Originaltitel: Dolly macht Karriere. Musikalische Komödie 1930; 92 min.; Regie: Anatole Litvak; Darsteller: Dolly Haas, Vicky Weckmeister, Oskar Karlweis, Kurt Gerron, Paul Kemp, Alfred Abel, Hermann Blaß, Theo Lingen, Gustl Stark-Gstettenbaur, Paul Henckels; Ufa-Klangfilm.
Eine kleine Verkäuferin setzt ihr Engagement als Kabarettstar durch. Der Manager dichtet ihr einen Prinzen als Freund an. Dieser geht auf den Spaß ein, tritt aber dann zu Gunsten ihres Geliebten zurück.
Zusammenfassung
Dolly, ein quecksilbriger kleiner Racker, liebt den Klarinettisten und Schlagerkomponisten Fred Halton. Sie ist Verkäuferin in einem Hutsalon, doch höchste Sehnsucht ihrer wachen Träume ist : das Theater. Als sie dies Fred gesteht, lacht er sie herzlich aus und spottet : „Du hast doch keine Spur von Talent.“ So was läßt sich aber ein Temperament wie Dolly nur einmal sagen. Nun gilt es, zu beweisen und ihren Kopf durch zusetzen. Mit einem genialen Lausbubentrick, pirscht sie sich an den Theaterdirektor Silbermann heran, den gerade ein „Star“ im Stich gelassen hat. Er erkennt sofort Dollys Talent und engagiert sie vom Fleck weg. Sie muß allerdings den heiligen Schwur tun, Fred, dem Freund, von allem nichts erzählen zu wollen, bis sie sich „durchgesetzt“ hat. Silbermann, der Gerissene, der weiß, wie es gemacht wird, besorgt seinem neuentdeckten Star nicht nur eine fabelhafte Wohnung, nicht nur einen tönenden Künstlernamen, sondern auch einen im wahren Sinne des Wortes „fabelhaften“ Geliebten, den Herzog von Schwarzenburg, der angeblich in Afrika weilt und Löwen jagt. Selbstverständlich aber taucht dieser Herzog plötzlich auf, und nun entwickelt sich ein tolles, fröhliches Spiel, an dessen Schluß Dolly dein schönsten Schlager ihres Freundes Fred zu einem sensationellen Erfolg verhilft und dem Geliebten in die Arme sinkt. Sie hat nun bewiesen, daß sie eine große Künstlerin ist und – daß sie ihren Fred wirklich liebt.
Kritik (-e-, Film Kurier #253, 10/25/1930) :
Auch dieser Ufa-Film hat großen Ehrgeiz, mitzuwirken an der Verfeinerung eines tonfilmischen Operettenstils, Nichtigkeiten des Humors mit Grazie zu sagen, unbedenkliche Heiterkeiten mit Stil. Nicht umsonst sind bekannte Produktionsleiter wie Bloch-Rabinowitsch am Werk, Meister des pompösen, europäischen Films.
Diesmal schwenken sie vom Seriös-Opernhaften des „Weißen Teufels“ zu dem flatterhaften kleinen Teufelchen : Dolly Haas, der sie zum Filmdebut eine ganze Armee von Technikern und Künstlern an die Schleppe gehängt haben.
Zum nächsten Geburtstag schenkt man ihr und der Ufa einen Autor. Obwohl auch beim Autoren-Pärchen I. v. Cube und Petermann schon der Wille der Ufa-Produktion statt Routine neue Kräfte einzusetzen, löblich und fördernswert ist.
Wie fördert sich das Autorenpaar selbst ? Mit Recht zeigen sie die Dolly Haas auch im Film dort, wo sie bisher ihr Talent entfalten konnte : In der Kleinkunstbühne der Komiker Kurt Gerron und Theo Lingen, genannt Silbermann und Coon.
Aber sie lassen sich und der Haas eine Chance entgehen : Anstatt deren spezielle Begabung für das Nebenbei, den halben Ton, ihre besondere Nuance des Jungseins in einer Rolle zu nützen, in der Dolly das nette, großmäulige Kindchen ist, das jeder beschützen möchte, wird sie als arrivierender Star gezeigt, dem kaum etwas fehl schlägt. Eine Harvey-Rolle also für die Haas. Eine Individualität ins Cliché gepreßt. Ein Federgewicht als Primadonna. Ein spürbar naives, altkluges und flinkes Ding als Sex appeal en gros.
So führt sich die Haas mit bezwingender Anmut vor : langes Näschen-machen. Tanzschrittchen, Hopserchen, Kampeleien mit dem Liebhaber und der Schupo. Und vor dem Mann, der hier die mänliche Fee spielen sollte und andeutet, wie eine Komödie zwischen dem Häschen und einem Salonlöwen sein könnte, läuft sie davon : Vor Alfred Abel, dem guten Grafen von Schwarzenburg. Ein Molnar-Graf, für ein Molnar-Stück.
Er macht den Film ganz besonders sehenswert, eine fesselnde Hintergrundfigur in diesem Film. Was wird man nach dieser Leistung nicht alles von ihm im Tonfilm erwarten können ! Er trifft den lebendigen Ton auch im Ulk, er macht aus einer Possenwendung noch ein glaubhaftes Apercu und selbst die gewagten Schlagersituationen gibt er nachdenklich, ohne sie zu belasten. Man horcht bei ihm auf, wenn er die Verschen von Rebner und I. v. Cube über die Lippen bringt.
Noch andere fesselnde Schauspielerleistungen, die diese Improvisationen einer „Berliner Bohème“ reizvoll machen : Kurt Gerron, Theo Lingen. (Gerron als Robitschek in Bronze.)
Das Freundespaar : Oskar Karlweiß, Paul Kemp, besonders ergötzlich in einer Starparodie. Ein Sondererfolg : Gustl Stark-Gstettenbaur mit seiner Liebe zu Marlene Dietrich und zum Zeppelin.
Und drum herum das riesige Aufgebot der Lustigkeits-Ersinner : der szenische Arrangeur Anatol Litwak, der Tanzmeister Ernst Matray, die Kameraleute F. A. Wagner und Robert Baberske, die Architekten Jack Rotmil und Heinz Fenschel. Dazu Kostüme von Professor Ernst Stern. Musik von Nelson, Schmidt-Gentner, Straßer –, eine unübersehbare Liste – Zeugnis vom Arbeits- und Geschmacksniveau dieser Neu-Babelsberger Arbeit, die in einer hübschen Einleitungsszene selbst ihren Charakter harmloser Unterhaltung betont.
Zu betonen noch : Die vorwiegend recht gute Tonqualität (Dr. Erich Leistner). Was Wunder, daß darum in diesem Film selbst die Presse pariert und in einem harmonischen Quartett sich der göttlichen Bestimmung, die will, daß Dolly Karriere macht, einfügt.
Wie sehr die Haas heute schon ihr Publikum hat, zeigten die gute Stimmung und der reiche Beifall, der ihr und dem Film zuteil ward. Wiederholt gab es Applaus mitten in die Vorführung hinein.